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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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rief Florimel verzweifelt über den Lärm hinweg. »Das sind unsere Kinder da oben! Unsere Kinder! Und diese Bestien morden sie in einem fort! Meine Tochter Eirene – ich kann sie jetzt in diesem Moment neben mir fühlen, kann ihren wirklichen Körper neben meinem fühlen, ich schwöre es! Sie muß Todesängste ausstehen, ihr Herz rast wie verrückt! Der Teil von ihr, den der Andere entführt hat, muß auch dort oben sein – und diese Ungeheuer werden sie ermorden!«
    Und wer mag sonst noch da oben bei ihr sein? überlegte Sam unglücklich. Wer sonst wird gerade unmittelbar neben uns zermalmt und gefressen? Renies Bruder? T4bs Freund? Der arme Junge, der sich in Mittland Senbar-Flay nannte? Eine große, kalte Hoffnungslosigkeit legte sich über sie. Es hatte alles keinen Zweck mehr. Wenn sie ein gemeinsames Ziel gehabt hatten, dann dies, die Kinder zu retten und lebendig wieder aus dem Netzwerk herauszukommen. Mit beidem standen sie kurz vor dem Scheitern.
    »Was sollen wir tun?« rief Bonnie Mae mit gepreßter, drängender Stimme. »Wir können nicht zulassen, daß sie weiter die unschuldigen Kindlein abschlachten!«
    »Prinzessin!« Die wabbelnde Masse der nudeldicken Dirn tauchte nur wenige Meter entfernt am Ufer auf. Sam und ihre Freunde duckten sich in den Schatten, doch das unförmige Gesicht glotzte auf die weite, pulsende Fläche hinaus und sah sie gar nicht. Die geifernde Stimme klang überhaupt nicht mehr menschlich. »Komm zu uns zurück, Prinzessin, wir wollen dich auffressen!«
    Ihr spindeldürrer Genosse trat hinter ihr an den Rand des Kraters und bewegte sich dann daran entlang, wobei er alles packte und erdrosselte, was er erwischen konnte. Er kam direkt auf ihr Versteck zu. Auch wenn er nicht wußte, daß sie dort waren, mußte er in wenigen Sekunden zwangsläufig auf sie stoßen. »Wir morden, bis du uns fütterst«, knarrte er. »Bis du uns fütterst.«
    Bonnie Mae hatte wieder angefangen zu beten. Fast gelähmt vor Furcht starrte Sam die riesigen Zwillinge an und wandte dann den Kopf ab. Auch sie hätte am liebsten die Augen geschlossen – nicht um zu beten, sondern damit sie die Ungeheuer nicht sehen mußte, die sie alle gleich umbringen würden. Doch statt dessen blickte sie auf einen sich ausbreitenden dunklen Fleck im Brunnen, eine Düsternis, die in Wellen von einem ufernahen Punkt ausging und die pulsierenden Lichter nach und nach überdeckte.
    Es stirbt wirklich, dachte sie. Wir werden alle im Dunkeln sterben …! Da erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Ein Strom kleinerer Lichter sprudelte durch die Dunkelheit nach oben, winzige strahlende Bläschen, die mit jeder Sekunde mehr wurden.
    »Seht«, sagte sie leise. Dann ging ihr auf, daß niemand sie hören konnte. »Seht doch!«
    Etwas stieg in dem aufgewühlten Meer empor. Nochmal der Engel? fragte sich Sam. Der Andere? Kommt jetzt zum Schluß der Andere selbst hoch? Aber es fühlte sich nicht so an, hatte überhaupt nichts von der Kälte jener ungeheuren Erscheinung, die sie seinerzeit im Gefrierfach heimgesucht hatte. Es war viel kleiner und sah mehr nach einem Menschen aus – sie nahm schon einen ungefähren Umriß wahr, eine trübe Silhouette, die inmitten der perlenden Lichter nach oben schwamm.
    Der Schwimmer, der die Oberfläche des Brunnens durchstieß und an Land kletterte, war ein Mann mit einem schlanken, muskulösen Körper, der an manchen Stellen noch phosphoreszierte. Die Lichter des Brunnens schimmerten nur mehr ganz schwach, selbst die riesenhaften Zwillinge waren schattenhafte, undeutliche Gestalten geworden. Mit den Lichtspuren, die ihm am Leib klebten, war der den Wellen entstiegene Mann das Hellste weit und breit, und aller Augen richteten sich auf ihn. Einen ernüchternden Augenblick lang meinte Sam, es wäre Ricardo Klement, doch dann drehte er sich um, zückte sein Schwert und hob den Kopf, so daß sie sein Profil sehen konnte, seine lange schwarze Mähne. Ihr Herz explodierte schier vor Überraschung und Glück.
    Die Kinder der Bösen Bande flogen laut kreischend auf. »Landogarner! Landogarner!«
    »Orlando!« schrie Sam. »O mein Gott, es ist Orlando!«
    Das Brüllen der Mörder und ihrer Opfer war verstummt, doch falls der neu Erschienene Sams Ruf gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er wandte sich den Zwillingen zu und richtete halb grüßend, halb drohend sein Schwert auf sie. Die Bestie, die einmal der spannenlange Hansel gewesen war, stieß einen keuchenden Laut aus – Sam brauchte einen

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