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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schreien, dann weitere Schüsse. Mehrere menschliche Umrisse drängten sich durch die Tür in den rauchvernebelten Raum. Mit seinen triefenden Augen schien es Joseph so, als wären es zu viele, viel mehr als vier.
    Das gibt’s nich! wollte er rufen, doch sein Mund brannte, seine Kehle war wie zugeschnürt. Del Ray kauerte schlotternd neben ihm, den Revolver mit der letzten Kugel in der ausgestreckten Hand. Über das Donnern der anderen Schüsse hinweg konnte Joseph nicht hören, wie er ihn abfeuerte, sah nicht einmal das Mündungsfeuer, doch zwei der Hunde fielen um.
    Zwei mit einem Schuß, staunte Joseph, halb betäubt von dem Rauch in seinen Lungen und in seinem Kopf. Genau wie du gesagt hast. Wie bringst du das fertig, Del Ray?
    Aber bevor er ausgestaunt hatte, sprang noch einer der Mutantenhunde aus dem Rauch hervor und über die Sperre aus Tischen und Matratzen hinweg. Er traf Joseph wie ein Blitz und schmetterte ihn auf den Rücken. Ein fauchender Schädel stieß nach seinem Gesicht, grub eine heiße, feuchte Schnauze in seine Kehle und nahm ihm die Luft.
     
     
    > Paul Jonas lag zu Sams Füßen, zuckend und stöhnend wie einer, der einen elektrischen Schlag bekommen hatte. Sam selbst hatte sich erst kurz zuvor von ihrem jähen Rauswurf aus dem Brunnen erholt und verstand zunächst die Szenen nicht, die sich ringsherum abspielten. Die weinende Engelfrau war mit einem letzten Flackern über dem Brunnen erloschen. Die Zwillinge in Gestalt der Kinderliedfiguren des spannenlangen Hansels und der nudeldicken Dirn waren über ihr Verschwinden in ein unartikuliertes Wutgeheul ausgebrochen, schnappten sich wahllos schreiende Opfer und warfen sie in den leuchtenden Abgrund, als könnten sie die Entflohene dadurch zur Rückkehr zwingen. Keines der unglücklichen Geschöpfe, die in das Lichtermeer fielen, tauchte wieder auf, und auch der Engel erschien nicht mehr.
    »Sam Fredericks!« Es war Martines Stimme. Sam konnte sie in dem Aufruhr nirgends erblicken. Sie packte Paul am Arm, um ihn an einen sicheren Fleck zu zerren, doch er war glitschig von Schweiß und wand sich wie in einem Albtraum. Jemand drängte sich neben sie und half ihr ziehen, und gemeinsam schafften sie es, Jonas aus dem ärgsten Gewühl an einen Ort ein Stück außerhalb zu schleifen. Nach den irrsinnigen Vorgängen der letzten Minuten überraschte es Sam nur ein wenig, als sie entdeckte, daß ihr Helfer Felix Jongleur war.
    »Wir müssen hier weg«, fauchte er. »Ich habe über diese Version von Finney und Mudd keine Gewalt. Wo sind deine Freunde?«
    Sam schüttelte den Kopf. Es erschien ihr unmöglich, irgend jemanden in dem Chaos ausfindig zu machen, wo sie nur mit Mühe und Not imstande war, sich auf den Beinen zu halten und zu verhindern, daß Paul von kopflos fliehenden Feen und Zwergen zertrampelt wurde.
    »Fredericks!« Martine schrie abermals nach ihr, aber diesmal erspähte Sam sie, mit mehreren anderen zusammengedrängt, etwa fünfzehn Meter weiter in einer Senke direkt am Ufer, die nur eine Handbreit über der Oberfläche des Brunnens zu liegen schien. Sam bückte sich, faßte Paul unter den Achseln und hob unter Aufbietung aller Kraft seinen Oberkörper hoch. Sein Kopf wackelte schlaff hin und her, doch seine Augen waren offen und himmelwärts gerichtet. Jongleur nahm die Füße, und halb trugen, halb zogen sie ihn zu der Stelle, wo Martine und die anderen sich kurzfristig vor dem Schlimmsten in Sicherheit gebracht hatten.
    Paul Jonas’ Gesicht drehte sich ihr zu. Einen Moment lang schienen seine Augen sie wahrzunehmen.
    »Sag ihm, er soll das Fenster ausschalten …«, beschwor er sie, als wäre das eine naheliegende und vernünftige Bitte, dann rutschten seine Augen nach oben, und über seine Lippen kam nur noch sinnloses Gemurmel.
    Sie waren schon ein gutes Stück weit mit ihrer Last gewankt, als plötzlich eine Hand Sam am Fußgelenk faßte und sie zu Boden riß.
    »Hol die Prinzessin wieder!« zischte eine Stimme hinter ihr. Sie versuchte wegzukriechen, doch der schmerzhafte Griff an ihrem Bein war zu stark: Sie wurde auf den Rücken geschleudert, als ob sie ein Scheuerlappen wäre. »Wir wollen die Prinzessin!« herrschte der spannenlange Hansel sie an und schüttelte etwas mit drohender Gebärde. Es war ein anderes Opfer – ein kleiner, grün gekleideter Mann mit vorquellenden Augen, den der Unhold mit der zweiten Hand am Hals gepackt hatte. Mit seinem blinden Gesicht, das gemasert war wie altes weißes Holz, beugte sich das

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