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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gefängnisse an
    (Bild: neue Anstalt in Totness)
    Off-Stimme: Die Regierungen armer Staaten wie Surinam und Trinidad und Tobago konkurrieren um den Gefangenenüberschuß aus den Vereinigten Staaten und Europa, wo die Häftlingszahlen schneller steigen, als Anstalten gebaut werden können. Doch in vielen dieser kleinen Länder formiert sich entschlossener Widerstand.
    (Bild: Vicenta Omarid, Vizevorsitzende von Resistid!)
    Omarid: »Unser Land ist keine Deponie für Gifte gleich welcher Art, seien es Abfälle oder Menschen. Die Staaten der Ersten Welt wollen unsere Bürger genauso zynisch ausbeuten wie ihre eigenen und versuchen jetzt, die Folgen ihrer Armenverfolgungspolitik zu vertuschen, indem sie hungernden Staaten wie Trinidad und Tobago finanzielle Versprechungen machen …«
     
     
    > Zuerst hatte Sellars keine Ahnung, wo er war. Er war tief auf einem gepolsterten Sitz eingesunken, der sich eher wie ein Mutterschoß als wie ein Sessel anfühlte, umfangen, geborgen, versorgt. In dem großen Fenster vor ihm brannten helle Lichtpunkte, und er spürte die nahezu lautlose Vibration der Triebwerke – nein, er spürte nicht nur die Vibration, wurde ihm klar, sondern registrierte ganz unmittelbar und bis ins kleinste Detail, wie der Antiprotonenantrieb und die Millionen anderer Funktionen des Raumschiffes arbeiteten, die alle in sein verändertes Nervensystem eingespeist wurden. Er flog durch die Sternennacht.
    »Es ist die Sally Ride«, murmelte er. Mein Schiff…! Mein schönes Schiff!
    Aber irgend etwas stimmte nicht.
    Wieso bin ich hier? Erinnerungen schossen in ihn ein, ein Kaleidoskop von Situationen, von Feuer und Schrecken, gefolgt von Jahren der Eingesperrtheit. Erinnerungen an eine Vergangenheit, in der diese silberne Perle in einem Hangar in South Dakota zu einem Wrack geworden war, ohne jemals oberhalb der unteren Ionosphäre geflogen zu sein.
    Aber die Sterne …! Da sind sie, überlebensgroß. Kann es sein, daß alles, was ich für real gehalten habe, die Vernichtung von PEREGRINE, meine lange Gefangenschaft, daß alles bloß ein Traum war, ein Albtraum während meines Tiefkühlschlafes?
    Er wollte es glauben. Er wollte es so sehr glauben, daß er es förmlich schmecken konnte. Wenn dies jetzt real war, dann waren auch seine qualvollen fünf Jahrzehnte als Krüppel nichts als eine Einbildung, die er sich nur aus dem Kopf schlagen mußte, um mit seinem Schiff und den endlosen gestirnten Weiten allein zu sein.
    »Nein«, sagte er. »Das ist alles nicht wirklich. Du hast meine Abwehr durchbrochen. Du hast das irgendwie aus meinem Kopf genommen.«
    Eine ganze Weile hörte er nur das Summen der Triebwerke. Die Sterne flogen am Fenster vorbei wie Schneeflocken. Dann meldete sich das Schiff.
    »Bleib«, sagte es. »Bleib bei … ihm hier.« Er kannte die Stimme natürlich von früher, hatte sie bei zahllosen Tests gehört, die eigentümlich geschlechtslosen, computergenerierten Töne seines Raumschiffs. »Er hier ist einsam.«
    Es ging ihm zu Herzen. Nach der Katastrophe in Sand Creek hatte er das Schiff aus seinen Gedanken verbannt wie eine tote Geliebte. Nach all diesen Jahren seine Stimme zu hören war ein Wunder. Aber er war mißtrauisch. Wollte das Betriebssystem des Gralsnetzwerks, das diesen Traum in seinem Kopf fabrizierte, wirklich nur reden? Sellars hatte das Ding so lange bekämpft, daß er es kaum glauben konnte. »Ich weiß, daß dies alles nicht wirklich ist«, sagte er. »Aber warum machst du das? Warum hast du mich nicht einfach getötet, als du mich überwältigt hattest?«
    »Du … bist anders«, erwiderte die mechanische Schiffsstimme.
    Draußen vor der dicken Scheibe ging das Sternengestöber weiter. »Du bestehst aus Licht und Zahlen. Wie er hier.«
    Meine Verkabelung, meine inneren Systeme. Hält es mich wirklich für ein Ding, wie es selbst eines ist? Kann es sein, daß es bloß eine … eine verwandte Seele sucht? Er konnte nicht glauben, daß es nur das sein sollte – das Betriebssystem wußte schon seit langer Zeit von ihm, hatte ihn bei jedem Eindringen genauso sorgfältig studiert, wie er es seinerseits studiert hatte. Warum hatte es sich soviel Zeit gelassen, Kontakt zu ihm aufzunehmen? Waren seine eigenen Abwehrmechanismen der einzige Hinderungsgrund gewesen? Oder lag es an noch etwas anderem?
    Sellars war ratlos und erschöpft. Der verführerische Traum, die Erfüllung seines innigsten Wunsches, der schon vor langem zu Asche verbrannt war, erschwerte ihm die Konzentration

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