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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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außerordentlich.
    »Die Sterne«, sagte das Ding, als ahnte es seinen Gedanken. »Kennst du die Sterne?«
    »Früher habe ich sie gekannt«, antwortete Sellars. »Ich dachte, ich würde mein Leben in ihrer Nachbarschaft verbringen.«
    »Sehr einsam«, sagte die Stimme des Raumschiffs.
    Das, wenn sonst nichts, war echt menschlich. Kein Sprechprogramm der Welt brachte eine derart abgrundtiefe Trostlosigkeit zustande. »Manche Leute sehen das anders«, sagte er beinahe freundlich.
    »Einsam. Leer. Kalt.«
    Sellars setzte zu einer Antwort an – es war schwer, eine solche kindliche Verzweiflung zu hören und nicht etwas Tröstendes zu sagen –, aber die Erfahrung verlor langsam ihre Traumhaftigkeit, und immer mehr verstörte ihn ihre Widersinnigkeit.
    Wenn es bloß mit mir reden wollte, warum gerade jetzt? Es ist schon lange imstande, über das Netzwerk hinauszugreifen, man denke nur daran, wie es in Mister J’s in Erscheinung getreten ist, an die Art, wie es andere Systeme in der wirklichen Welt sondiert hat. Wieso hat es mich nicht einfach kontaktiert, statt abzuwarten, bis ich ins Gralsnetzwerk einzudringen versuchte? Und selbst wenn es das aus irgendeinem Grund abwarten mußte, warum hat es dann bis jetzt gezögert? Ich war doch früher schon viele Male drin. Er bemühte sich zu rekonstruieren, was unmittelbar vor der Kontaktaufnahme geschehen war. Wir haben gekämpft, wenigstens habe ich mit seinen Sicherheitsroutinen gekämpft. Dann bin ich kurz weggegangen, um die Anzapfung zu öffnen … und dann kamen die Informationen aus dem Gralsnetzwerk, dieser ungeheure, überwältigende Datenstrom. Genau in dem Moment hat es mich wieder angegriffen und meine Abwehr weggefegt.
    Als ich die Anzapfung geöffnet habe.
    »Du und er hier, wir sind gleich«, sagte die Schiffsstimme plötzlich. Sie klang beinahe ängstlich.
    »Du hast mich benutzt, nicht wahr?« Sellars nickte. »Du ausgefuchster Teufel. Du hast gewartet, bis ich in Jongleurs System drin war, und hast dich dann an meine Verbindung gehängt. Da gab es irgend etwas, womit du nicht allein fertig wurdest, stimmt’s? Etwas, das eigens dazu gedacht war, dich abzuhalten. Und ich mußte am Leben und mit dir verbunden sein, damit du hineinkonntest.« Kaum hatte er das verstanden, ergriff ihn eine tiefere Furcht. Was hatte sein Widersacher mit seinem zähen, heimtückischen Ringen erreichen wollen? Was führte er jetzt im Schilde, wo er ihn mit einer Montage aus Erinnerungsteilen unterhielt?
    Und was würde er mit ihm machen, wenn er ihn nicht mehr brauchte?
    »Nein. Einsam im Dunkeln. Will nicht mehr hier sein.« Die mechanische Stimme verzerrte sich zusehends.
    »Dann laß dir helfen«, bat Sellars. »Du hast gesagt, ich sei wie du. Gib mir eine Chance! Ich will dasselbe wie du – ich will die Kinder in Sicherheit bringen.«
    »Keine Sicherheit«, kam flüsternd die Antwort. Selbst die Sterne vor dem Fenster wurden langsam fahl, als ob die Sally Ride jetzt schneller flog als dieses Licht aus uralten Zeiten. »Zu spät. Zu spät für die Kinder.«
    »Welche Kinder?« fragte er scharf.
    »Alle Kinder.«
    »Was hast du getan?« fragte Sellars. »Wie hast du mich benutzt? Wenn du es mir sagst, kann ich dir vielleicht noch irgendwie helfen – oder wenigstens den Kindern.«
    »Keine Hilfe«, sagte das Ding traurig, dann begann es, mit klagender, stockender Stimme zu singen.
     
»Ein Engel hat mich angerührt,
    Ein Engel hat mich angerührt,
    Der Fluß hat mich gewaschen …«
     
    Sellars kannte weder den Text noch die einfache Melodie. »Ich verstehe dich nicht. Sag mir einfach, was du getan hast. Warum hast du mich hier festgehalten? Was hast du getan?«
    Wieder begann es zu singen. Diesmal erkannte Sellars das Lied.
     
»Schlaf, Kindlein, schlaft
    Der Vater hüt’ die Schaf’…«
     
    Und dann war das Raumschiff fort, die Sterne waren fort, alles war fort, und er war in die bekannte Umgebung seines Gartens zurückversetzt.
    Aber es war kein Garten mehr, wenigstens nicht der überschaubare, begrenzte Raum, den er so lange gepflegt hatte. Jetzt erstreckte er sich kilometerweit in alle Richtungen, wie es aussah, weiter als die Parks in Kensington oder Versailles, ein unglaublich chaotisches Pflanzengewirr.
    Er hat gehalten, erkannte Sellars. Mein Garten hat die Daten aus dem Otherlandnetzwerk absorbiert und hat gehalten. Und ich bin auch noch am Leben. Der Andere hat getan, was er tun wollte, und mich dann wieder freigelassen. Er vergewisserte sich, ob seine

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