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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Aber die Wand geht im Kreis rum, und wahrscheinlich ist außen am Rand ein Gang, derselbe, der links und rechts vom Aufzug abgeht. Sag ihr, sie soll den einfach langgehen. Früher oder später muß sie drauf stoßen.«
    »Früher oder später?« Ramsey schloß die Augen und holte tief Luft. »Lieber Himmel, bin ich denn der einzige hier, der’s eilig hat?« Doch er gab die Auskunft an Olga weiter.
    Beezle hatte recht. Nach einigen hundert Schritten trat sie auf einen Parkettboden und sah vor sich die Wand, die den toten Wald umgab. »Welche Richtung?« fragte sie.
    »Beezle meint, du kannst es dir aussuchen.«
    Sie ging nach rechts, immer an der kahlen gebogenen Wand entlang. Nach einer Weile wurde sie langsamer und blieb dann stehen. Ramsey, der weiterhin nur ihre Füße sehen konnte, platzte beinahe vor Ungeduld.
    »Was ist denn?«
    Der Blick ging nach oben. Ein großes Quadrat aus transparentem Rauchplexiglas war in die Wand eingesetzt worden. Beim Durchschauen erkannte er die vagen Konturen von Hausdächern tief unten und dachte im ersten Moment, es wäre bloß ein normales Fenster, doch an der Schlampigkeit, mit der der Haftschaum ringsherum an den Kanten verspritzt war, sah man, daß es eine nachträgliche und hastig ausgeführte Reparatur war. Trotz des heruntergekommenen Zustands, in dem sich die Etage befand, war alles andere dort hervorragend gearbeitet.
    »Ich kann … sie fühlen.«
    Er brauchte eine Weile, bis er verstand. »Die … die Stimmen? Du kannst sie fühlen?«
    »Ganz schwach.« Er hörte sie kurz auflachen. »Ich weiß, jetzt glaubst du mir endlich, was ich dir damals klarmachen wollte. Ja, ich bin verrückt. Aber ich kann sie fühlen, ein ganz klein wenig.« Sie schwieg einen Moment. »Ungut. Wieder so eine traurige Stelle – anders als in dem Haus, noch schlimmer. Ungut.«
    Sie ging weiter. »Aber was hier auch geschehen sein mag, ich bin nicht deswegen hergeführt worden«, fügte sie hinzu. Ihr gelassener Ton, ihre ruhige Gewißheit jagten Ramsey einen Schauder über den Rücken.
    »Aber … du hast sie gefühlt?«
    »Ich habe Geister gefühlt, Herr Ramsey.«
    Sie gelangte zum Fahrstuhl und rief ihn mit ihrer Marke. Als sie eingetreten war und die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, ging Ramsey auf seine andere Leitung.
    »Sie läßt sich elend viel Zeit, Beezle. Sie will sich erst noch im Stockwerk darunter umschauen. Wie sieht’s ansonsten aus? Ist die Feuerwehr schon im Anmarsch?« Der Agent antwortete nicht. »Beezle?«
    »Ich mußte mich dazuschalten und fürchte, ich habe ihn abgehängt«, sagte eine Stimme, die eindeutig nicht Beezle war. »Es ist im Moment alles ein bißchen … schwierig.«
    »Sellars?«
    »Was noch von ihm übrig ist, ja.«
    Es war unzweifelhaft seine Stimme, aber sie hatte einen gruseligen Beiklang, als wäre er hinter seiner äußeren Ruhe bis zum Zerreißen gespannt. Ramsey fand, er klang wie jemand, der die blanken Drähte eines Stromkabels von fünfzigtausend Volt in der Hand hielt. »Mein Gott, was ist los?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Wie ich sehe, ist Olga immer noch im Turm …«
    »Ja, und ich kann sie nicht dazu bringen zu gehen. Wir haben sämtliche Alarme ausgelöst, die ganzen Sachen, die du vorbereitet hattest, und die Polizei wird wahrscheinlich jeden Moment zur Tür hereingestürmt kommen. Ich dränge sie in einem fort, endlich zu verschwinden, aber sie will nicht auf mich hören. Sie bummelt immer noch rum und sucht nach den Kindern, du weißt schon, die Stimmen in ihrem Kopf …«
    »Herr Ramsey«, unterbrach ihn Sellars, »ich schwimme bereits in Informationen – ach was, ich ertrinke. Ich bin von Daten überflutet, mehr Daten, als du dir vorstellen kannst. Jeder Nerv in meinem Körper steht im Begriff, Feuer zu fangen und zu Asche zu verbrennen.« Sellars holte zitternd Atem. »Also tu mir den Gefallen und halt jetzt den Mund.«
    »Klar. Ja, klar, natürlich.«
    »Gut. Ich muß mit Olga reden. Währenddessen mußt du nach nebenan gehen und mit den Sorensens reden. Wenn mir die Zeit bleibt, komme ich dazu und spreche selbst mit ihnen. Das ist von allergrößter Wichtigkeit. Wenn sie nicht da sein sollten, mußt du sie sofort holen.«
    »Klar.«
    »Und wenn ich mit Olga fertig bin, möchte ich, daß du auf der andern Leitung bei ihr bleibst.«
    »Ich? Aber …?«
    So knapp wie nur irgend möglich erläuterte Sellars, was er herausgefunden hatte und was er gleich Olga Pirofsky erzählen wollte. Ramsey war zumute, als hätte ihm

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