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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Helligkeit im sternenlosen Weltraum zu schweben schien.
    Lieber Himmel, dachte sie. Es ist wie eine Leichenhalle. Sie rechnete halb damit, leise Orgelmusik zu hören, doch der Raum blieb still. Selbst die mahnenden Automatenstimmen waren hier in den oberen Etagen des Turmes nicht zugelassen.
    Als sie in der Raummitte angekommen war, betrachtete sie lange die stummen schwarzen Formen und mußte dabei gegen eine leise Regung abergläubischer Furcht ankämpfen. Der mittlere Behälter war so hoch, daß er sie deutlich überragte, der zweite große ein bißchen niedriger, die anderen beiden dagegen geradezu gedrungen. Sie beäugte den Behälter unmittelbar vor ihr, der rechts von dem in der Mitte stand, aber die Plastikwand war undurchsichtig und ging direkt in den Boden über. Plastikrohre, in denen sie irgendwelche Kabel vermutete, kamen aus Öffnungen an der Seite und gruben sich in den schwarzen Teppich wie Wurzeln.
    Sie ging daran vorbei und blieb neben dem Behälter stehen, der die Spitze der horizontalen Pyramide bildete, dem zweitgrößten. Sie atmete einmal tief durch und faßte ihn an. Als ihre Finger den glatten, kühlen Kunststoff berührten, blinkte an der Seite ein rotes Licht auf. Erschrocken sprang sie zurück, doch sonst tat sich nichts. Kleine Leuchtbuchstaben erschienen neben dem roten Licht. Sie beugte sich vor, aber achtete darauf, das Ding kein zweites Mal zu berühren.
     
Projekt: Uschebti
    Inhalt: Blastozyten 1.0, 2.0, 2.1; Horus 1.0
    Achtung: Kryogenischer Verschluß – Unbefugtes Öffnen oder Reinigen verboten
     
    Sie starrte die Schrift an und versuchte sich zu erinnern, was Blastozyten waren. Irgendwelche Zellen – Krebszellen? Nein, irgendwas mit Schwangerschaft. Was ein Horus sein mochte, wußte sie nicht, wahrscheinlich eine andere Zellart. Es war ihr vollkommen schleierhaft, warum jemand Interesse daran haben sollte, in solch einem mächtigen Tank Zellgewebe aufzubewahren.
    Sind die Dinger alle gleich? überlegte sie. Irgendwelche Kühltruhen für medizinische Forschungen? Machen sie hier gentechnische Experimente?
    Sie berührte einen der kleineren Behälter. Wieder blinkte ein rotes Licht auf, aber die Schrift daneben besagte nur: Mudd. J.L., dazu noch eine Kette von Ziffern. Auf dem zweiten kleinen Sarkophag leuchtete Finney, D.S.D., mit einer anderen Zahlenfolge auf. Sie mußte ihren ganzen Mut zusammennehmen, um den größten Behälter anzufassen, doch als sie ihn leicht mit einem Finger antippte, geschah nichts. Sie wartete, bis ihre Hand etwas weniger zitterte, dann berührte sie ihn erneut und hielt den Kontakt.
    »Frau Pirofsky?«
    Sie kreischte auf und sprang zurück. Die Stimme war in ihrem Kopf.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin es. Sellars.« Seine Stimme war rauh, als ob er Schmerzen hätte, aber sie klang nach ihm. Olga taumelte und setzte sich auf den Teppich.
    »Ich dachte, du wärst im Koma. Du hast mir wirklich einen Schreck eingejagt. Hier drin ist es wie im Grab der Mumie. Ich hätte mir fast in die Hose gemacht.«
    »Es tut mir wirklich sehr leid. Aber ich muß mit dir sprechen, und ich fürchte, es ist unaufschiebbar.«
    »Wo bin ich hier? Was sind das für Dinger?«
    Sellars zögerte einen Moment mit der Antwort. »Der größte ist der wahre Aufenthaltsort von Felix Jongleur. Dort wohnt der Mann, dem die J Corporation gehört, der Mann, der das Otherlandnetzwerk gebaut hat.«
    »Er wohnt …?«
    »Sein Körper ist so gut wie tot, und das schon seit Jahren. Viele, viele Apparate sind an diesen Lebenserhaltungsbehälter angeschlossen – er geht fast zehn Meter tief in den Fußboden hinein.«
    »Er … er ist hier …?« Verwirrt betrachtete sie den Behälter. »Er kann da nicht raus?«
    »Nein, er kann nicht raus.« Sellars räusperte sich. »Ich muß mit dir reden, Frau Pirofsky.«
    »Olga, bitte. Ja, ich weiß, ich muß hier weg. Aber ich habe noch nichts gefunden, was die Stimmen erklären würde …«
    »Aber ich.«
    Sie begriff nicht gleich. »Du hast etwas gefunden? Was?«
    »Das ist schwer zu erklären, Frau … Olga. Bitte, mach dich auf etwas gefaßt. Ich fürchte, es wird dich sehr … schockieren.«
    Sie konnte sich kaum vorstellen, daß etwas schockierender sein konnte als das, was sie bereits durchgemacht hatte. »Sag’s mir einfach.«
    »Du hattest einmal ein Kind.«
    Das war das letzte, womit sie gerechnet hätte. »Ja. Einen Jungen. Er ist tot. Er ist bei der Geburt gestorben.« Es war erstaunlich, daß der Schmerz immer

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