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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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noch so prompt zuschlagen konnte, so stark. »Ich habe ihn nie gesehen.«
    Wieder zögerte Sellars. Dann stieß er die Worte beinahe überhastet hervor. »Du hast ihn nie gesehen, weil er nicht bei der Geburt gestorben ist. Er ist nicht tot, Olga. Man hat dich belogen.«
    »Was?« Ihr kamen keine Tränen, nur dumpfer Zorn regte sich. Wie konnte jemand so etwas Grausames, Absurdes sagen? »Was redest du da für ein Zeug?«
    »Dein Kind war eine ganz seltene Mutation – ein Telepath. Er war … ist … ein Kind, das unter normalen Umständen niemals überlebt hätte. Seine ungebändigten geistigen Kräfte waren so ungeheuer stark, daß trotz vieler Sicherheitsvorkehrungen ein Arzt im Kreißsaal einen Schlag erlitt und starb, während er den Kaiserschnitt vornahm. Zwei Schwestern hatten ebenfalls Anfälle, aber es standen etliche andere bereit, und einer gelang es, dem Kind eine hohe Dosis eines Sedativs zu verpassen.«
    »Das ist doch Unsinn! Wie hätte so etwas ohne mein Wissen geschehen können?«
    »Du warst bereits ruhiggestellt worden – man hatte dir gesagt, es müsse mit einer sehr schwierigen Geburt gerechnet werden, einer Steißgeburt, weißt du nicht mehr? Es hatte nämlich schon vorher Anzeichen dafür gegeben, daß das Kind abnorm war. Erinnerst du dich noch an die ganzen Tests? Ist dir nie der Gedanke gekommen, daß etwas daran ungewöhnlich war? Die Ärzte und Schwestern waren alle Spezialisten. Hochbezahlte Spezialisten.«
    Olga hätte sich am liebsten zusammengerollt und sich die Ohren zugehalten. Ihr Kind war tot. Über dreißig Jahre lang hatte sie darunter gelitten und schließlich gelernt, damit zu leben. »Was du sagst, verstehe ich überhaupt nicht.«
    »Der Mann dort in dem Behälter – Felix Jongleur. Er hatte nach einem Kind mit genau den Fähigkeiten deines Sohnes gesucht. Er und seine Geschäftspartner hatten Verbindungen zu Dutzenden von Krankenhäusern in ganz Europa, zum Teil gehörten sie ihnen ganz offiziell. Du hast dir das Krankenhaus nicht selbst ausgesucht, stimmt’s?«
    »Wir … wir wurden dorthin überwiesen. Von einem Arzt – aber er war ein freundlicher Mann!«
    »Vielleicht. Vielleicht war ihm nicht klar, was er tat. Aber Tatsache ist, daß du und dein Kind in die Hand von Menschen gerieten, die nichts weiter wollten als dieses Kind – deinen Sohn. Jongleurs Spezialisten gewannen anhand von Tests eine Vorstellung von der Besonderheit ihres Funds und gaben ihm schon im Mutterschoß die ersten Sedativa. Sie waren optimal auf ihn vorbereitet, und dennoch wäre er um ein Haar an dieser traumatischen Geburt gestorben – zuviel mentale Energie, eine Hyperaktivität, die ihn binnen Minuten umgebracht hätte. Wenigstens eine Person, die bei seiner Geburt zugegen war, kam tatsächlich ums Leben. Aber wie gesagt, im großen und ganzen waren sie vorbereitet. Er wurde in eine kryogenische Anlage gesteckt und seine Temperatur drastisch reduziert. Sie versetzten ihn in einen Zustand weitgehender Leblosigkeit.«
    Jetzt kamen die Tränen doch noch. Mit ihnen kamen Erinnerungen – an die Nächte, die sie neben dem schlafenden Aleksander wach im Bett gesessen und das ebenso feste wie unerklärliche Gefühl gehabt hatte, daß etwas mit ihrem Baby nicht stimmte. Dann an die anderen Male, wo sie geschworen hätte, daß sie spürte, wie es in ihr … dachte, die erschreckende Wahrnehmung eines fremdartigen kleinen Wesens, das in ihrem Bauch wohnte. Doch sie hatte sich eingeredet, daß andere Mütter bestimmt genau die gleichen Empfindungen hatten, und die Ärzte hatten ihr beigepflichtet.
    »Woher weißt du das alles?« fragte sie. »Wie kannst du das wissen? Warum hast du bis jetzt gewartet, um mir das zu sagen? Du hast dir das ausgedacht – das ist irgendein irrsinniges Spiel, es ist deine Verschwörung, deine verrückte Verschwörungstheorie!«
    »Nein, Olga«, entgegnete er traurig. »Ich habe es dir deswegen nicht gesagt, weil ich es selbst nicht wußte. Bis jetzt. Ich hatte keine Ahnung, wie das Betriebssystem des Otherlandnetzwerks funktioniert, da es in keiner Weise den Regeln zu gehorchen schien, die selbst für die höchstentwickelten neuronalen Netzwerke gelten. Aber …«
    »Mein Junge!« Olga sprang auf und wankte zu dem Behälter an der Spitze der Pyramidenformation. Ihr war eingefallen, wo sie das Wort »kryogenisch« gesehen hatte. »Ist er hier? Ist er hier drin?« Sie kratzte hilflos an der Plastikoberfläche. »Wo ist er?«
    »Er ist nicht dort, Olga.« Sellars klang, als

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