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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hauptströmung langsam im Kehrwasser dreht.«
    Paul hätte es noch einfacher gefunden, das Haus aus soliderem Material auf einer festen Grundlage zu errichten oder die Blase mit einem magischen Code so zu programmieren, daß sie sich unter keinen Umständen von der Stelle bewegte, aber Kunohara bezog offensichtlich irgendeine Befriedigung aus dem Geräusch und Gefühl des fließenden Wassers, dem überaus sachten Schaukeln und Kreisen der Blase. Paul war nur froh, daß er nicht leicht seekrank wurde. Er kehrte der Aussicht den Rücken und betrachtete das Innere des Raumes, die Teppiche und weichen Matten auf dem Boden, die niedrigen Tische im altjapanischen Stil.
    »Interessierst du dich für Naturwissenschaft?« fragte Kunohara unvermittelt.
    »Gewiß.« Paul war sehr daran gelegen, seinen Gastgeber bei Laune zu halten – höfliches Geplauder war auf jeden Fall hundertmal besser, als wieder den heißhungrigen Asselmutanten vorgeworfen zu werden. »Ich meine, ich bin kein Experte …«
    »Geh zu der Treppe dort. Auf der obersten Stufe bewegst du die Hand, so, dann gehst du runter.«
    Paul blieb oben an der Treppe stehen und blickte in das Untergeschoß von Kunoharas Haus, das sich allem Anschein nach nicht sehr von dem oberen unterschied, nur daß der Boden aus einer dunklen, glasartigen Substanz bestand. Paul schwenkte die Hand, und die Lichter im unteren Raum gingen aus. Erst da merkte er, daß er nicht auf einen dunklen Boden blickte, sondern durch die Unterseite der transparenten Blase direkt in den Fluß.
    Da die sichtbehindernden Spiegelungen ausgeschaltet waren, konnte er unter sich den felsigen Grund des Flußbeckens erkennen, der aus seiner Perspektive fern und zerklüftet wirkte wie ein Gebirgszug vom Flugzeug aus gesehen. Hin und wieder glitten ungeheure Gestalten zwischen den Steinen am Boden dahin, die in Paul atavistische Schreckreaktionen auslösten, obwohl er wußte, daß sie nach normalen Maßstäben sehr kleine Fische sein mußten. Es gab auch einige halbtransparente Tiere, die ein wenig wie dünne Hummer mit Spinnenbeinen oder noch skurriler aussahen. Paul begab sich bis auf die unterste Stufe hinab, aber blieb dort stehen, weil er sich nicht traute, auf das glasartige Material zu treten, obwohl er unter sich eine niedrige Liege und anderes Mobiliar erblickte, was dafür sprach, daß der Boden Gewicht aushielt. Eine der Hummerformen trieb nach oben und stieß mit dem Kopf gegen die Blase, ein Wesen mit schwarzen Knopfaugen auf Stielen, das mit seinen peitschendünnen Beinen über die gewölbte Oberfläche strich und sich vielleicht fragte, warum es etwas, das es sehen konnte, nicht zu fassen bekam.
    »Penaeus vannemei im Zoeastadium«, sagte Kunohara von hinten. »Garnelenlarven. Ich habe die Lichtbrechung der Blase hier unten verändert, so daß man alles ein bißchen vergrößert sieht. In Wirklichkeit wären sie viel kleiner als selbst wir in unserer momentanen Größe.«
    »Du hast, äh … es ist sehr eindrucksvoll.« Paul sprach es nicht aus, aber obwohl er das Blasenhaus durchaus bemerkenswert fand, war es für einen der Götter eines virtuellen Universums auch eigentümlich bescheiden. »Ein sehr schönes Haus.«
    Auf der obersten Stufe bewegte Paul wieder die Hand, und als die Lichter angingen, sah er auf der gewölbten Blasenhaut sein breit gezogenes Abbild wie in einem Zerrspiegel auf dem Jahrmarkt. Trotz des ungewohnten Jumpsuits war der Mann, der den Blick erwiderte, eindeutig er, der Paul Jonas, wie er ihn in Erinnerung hatte, wenn auch mit einem Bart, der ihm das Aussehen eines Schiffbrüchigen verlieh.
    Aber warum sehe ich immer gleich aus? überlegte er. Sonst verändern sich doch alle hin und wieder. Jemand meinte sogar, !Xabbu sei eine Zeitlang ein Affe gewesen.
    Kopfschüttelnd betrat er das Obergeschoß und mußte feststellen, daß die von Kunohara mitgenommene tote Assel in der Mitte des Raumes in einem Hexaeder aus weißem Licht schwebte wie in Bernstein fossiliert. Pauls Gastgeber musterte sie kritisch; wenn er ein Zeichen gab, drehte sich die Assel auf der Stelle. Ein filigraner Text aus Kanji-Schriftzeichen lief über die Oberfläche des transparenten geometrischen Körpers.
    »Ist das … etwas, das du noch nicht kanntest?«
    »Schlimmer. Es ist etwas, das nicht sein dürfte.« Kunohara stöhnte. »Kannst du trinken?«
    »Kann ich?«
    »Hast du Rezeptoren? Was hättest du gern? Du bist mein Gast. Die Höflichkeit verlangt, daß ich dir etwas anbiete, auch wenn du und

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