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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zuviel ausgeplaudert hatte. War Kunohara ein Mitglied der Bruderschaft oder einfach jemand, der sich in ihrem Netzwerk eingemietet hatte?
    Sein Gastgeber schaute verblüfft. »Was ist das für ein krauses Zeug?«
    Paul musterte ihn prüfend. Was jemand im stillen dachte, war schon in der wirklichen Welt nicht zu sagen, erst recht nicht hier. Aber, rief er sich ins Gedächtnis, es mochte erst eine Stunde vergangen sein, seit er und die andern erlebt hatten, wie …ja, was hatten sie eigentlich erlebt? Es war spät am Tag, und er konnte es sich in seiner Hilflosigkeit nicht leisten, einen potentiellen Verbündeten vor den Kopf zu stoßen.
    »Willst du damit sagen, daß du nicht weißt, was uns widerfahren ist? Daß wir die Gralsbruderschaft bei ihrer Zeremonie gesehen haben – daß wir dem Andern begegnet sind? Das ist dir alles neu?«
    Zu seiner nicht unerheblichen Befriedigung durfte Paul mit ansehen, wie Kunoharas hartes Gesicht vor Staunen schier zerfloß. »Du … du bist dem Betriebssystem begegnet? Und du lebst?«
    »Anscheinend.« Das war, dachte Paul bei sich, gar nicht so sarkastisch, wie es sich anhörte.
    Kunohara nahm die Teekanne. Seine Selbstbeherrschung war bewundernswert, denn seine Hand zitterte nicht dabei. »Offenbar weißt du Dinge, die ich nicht weiß.«
    »Nach dem, was meine Freunde mir erzählt haben, war es gewöhnlich anders herum. Vielleicht könntest du dieses Mal ja ein wenig mitteilsamer sein.«
    Kunohara blickte zerknirscht. »Ich werde deine Fragen beantworten, das verspreche ich. Erzähl mir, was ihr erlebt habt.«
     
    Hideki Kunohara lauschte gespannt Pauls Schilderung und unterbrach ihn häufig, um etwas näher erklärt zu bekommen. Selbst in einer stark gerafften Version war es immer noch eine lange Geschichte: Als Paul bei dem Aufstieg zum Gipfel des schwarzen Berges angekommen war, war es in der Welt außerhalb der Blase Abend geworden, und am nächtigen Himmel über dem Fluß funkelten Sterne. Abgesehen von dem flackernden Feuer hatte Kunohara es in seinem Haus ebenfalls dunkel werden lassen; es gab Momente, in denen Paul vergaß, daß er in der schimmernden Kugelform saß, und sich beinahe auf eine der griechischen Inseln zurückversetzt fühlte, mit Azador unter freiem Himmel am Lagerfeuer.
    Da er müde war und gern zum Ende kommen wollte, versuchte Paul sich auf die wichtigen Sachen zu beschränken, aber bei so vielen Rätseln war schwer zu entscheiden, was er weglassen sollte. Kunohara schien sich besonders für das silberne Feuerzeug zu interessieren und schaute enttäuscht, als er hörte, daß es anscheinend auf dem Berggipfel verlorengegangen war. Bei der Erwähnung von Dread und seiner Kontrolle über das Betriebssystem, mit der der Mörder geprahlt hatte, verdüsterte sich seine Miene.
    »Das alles ist im höchsten Maße erstaunlich«, erklärte er, als Paul eine Pause machte, um seine vierte Tasse Darjeeling zu leeren. »Alles. Ich hatte so eine Ahnung, was die Gralsbrüder beabsichtigten, denn sie sprachen mich schon vor langem darauf an und zeigten sich verwundert, daß ich es vorzog, ihrem inneren Kreis nicht beizutreten, obwohl ich über die Mittel dazu verfügte.« Er erwiderte Pauls Blick mit einem grimmigen Lächeln. »Ich habe gesagt, ich werde deine Fragen beantworten, aber das heißt nicht, daß ich dir mein Herz auf den Tisch legen muß. Meine Gründe, bei dem Unsterblichkeitsprojekt der Bruderschaft nicht mitzumachen, sind ganz allein meine Sache.«
    »Dafür mußt du dich nicht entschuldigen«, beeilte Paul sich zu versichern. »Ich kann mir nur wünschen, daß ich auch nein sagen würde, wenn ich es angeboten bekäme und wüßte, wie viele Kinder dafür leiden und sogar sterben müssen.«
    »Ja, die Kinder.« Kunohara nickte. »Das mit den Kindern kommt noch dazu.« Er schwieg eine Weile gedankenverloren. »Aber das mit dem Andern, das ist wirklich ein Ding. Ich vermute schon lange, daß irgendeine einzigartige künstliche Intelligenz hinter dem System steckt, und auch, daß sie seit einiger Zeit die Environments in mancher Hinsicht verändert. Wie gesagt, fast von Anfang an hat es unwahrscheinliche Mutationen in meiner Biosphäre gegeben. Zuerst habe ich sie auf Datenverarbeitungsfehler aufgrund der zunehmenden Komplexität des Netzwerks geschoben, aber dann kamen mir Zweifel. Und jetzt diese jüngsten …« Er verstummte und schloß die Augen. In der eintretenden Stille empfand Paul seine Müdigkeit wie eine zentnerschwere Last. »Du hast sie ja

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