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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Partner austricksen, mich in die Lunge stechen lassen und fast sterben und dann noch den Krankenwagen rufen kann, obwohl ich mir schon fast das Blut aus dem Leib gespuckt hab, dann werde ich berühmt.«
    »Ich hab einen Witz gemacht, Calliope.«
    »Ich auch, ob du’s glaubst oder nicht.« Sie nahm sich noch ein Stück Eis. »Was ist mit der Amerikanerin?«
    »Auf der Kippe, aber sie lebt noch. Schwere Rückgratverletzungen, viel Blut verloren. Sie hätte ’ne Balli anhaben sollen. Wie du, Skouros.«
    »Wie ich.« Sie lächelte, um ihm zu zeigen, daß sie ihm nicht böse war. »Wenn du gehst, wer hält mir dann die Paparazzi vom Leib?« Aber es waren nicht die Reporter, die ihr Sorgen machten.
    »Zwei Blaue stehen vor der Tür. Keine Bange.«
    Als er fort war, schaltete sie den Wandbildschirm an. Viele Infoknoten brachten Meldungen über den Fall, Aufnahmen mit versteckten Kameras von dem Killer im Koma, sogar ein Schnappschuß von ihr – das Bild war alt, und es versetzte ihr einen leichten Schock, wie bullig sie aussah –, aber sie konnte sich nicht konzentrieren und schaltete bald wieder aus. Statt dessen blickte sie auf den schmalen Lichtstreifen unter der Tür und fragte sich, was sie machen würde, wenn jetzt die Tür aufflog und er grinsend vor ihr stand, der Schatten mit dem Messer, der erzteuflische Teufel.
     
     
    > »Das wär’s dann also«, sagte Orlando ruhig.
    Angst und Wut arbeiteten in Sam, dabei wußte sie eigentlich nicht so recht, warum. »Gar nichts ist, du Scänbox. Ich muß bloß offline gehen. Ich muß meine Eltern sehen.«
    »Yeah.« Er nickte, aber sie konnte hören, was er dachte, als ob er es laut ausgesprochen hätte. Es gibt Leute, die können nicht offline gehen.
    »Ich werd dich jeden Tag besuchen kommen!« Sie wandte sich zu Sellars um. Einer nach dem anderen hatten alle mit Tränen und Versprechungen Abschied genommen und das Netzwerk verlassen; außer ihr und Orlando war nur noch Hideki Kunohara mit Sellars in der düsteren Höhle. »Ich kann doch hierher zurückkommen, nicht wahr? Das kriegst du doch hin, oder?«
    »Nicht hierher, Sam.«
    Ihre Eingeweide krampften sich zusammen. »Was soll das heißen?«
    Er lächelte. Es war so ein fremdartiges Gesicht, beinahe gruselig. Kann ja sein, daß er tatsächlich so aussieht, mußte sie denken, aber warum sucht er sich dann nicht was anderes aus? »Keine Sorge, Sam. Ich will damit bloß sagen, daß ich diesen Teil der zentralen Simulation des Andern nicht beibehalten werde, da der Andere und … die übrigen weg sind. Wir müssen Kapazitäten sparen, deshalb konsolidiere ich ein paar Sachen und schalte andere ab.«
    Ihr kam ein neuer Gedanke. »Diese ganzen Märchenkinder …?«
    »Ich stelle nur diesen Teil hier ab, den Brunnen. Alle, die überlebt haben, kommen in ihre ursprünglichen Environments zurück«, erklärte er. »Sie haben alle ein Recht darauf, zu existieren, wenigstens hier im Netzwerk.«
    »Wir müßten eigentlich imstande sein, diejenigen wiederherzustellen, die gestorben sind – wenn man es so nennen kann«, meinte Kunohara mit der Miene eines Mannes, der über ein kleineres, aber ganz interessantes Schachproblem nachdachte. »Ich wette, es lassen sich irgendwo Aufzeichnungen von ihnen finden, Bildaufnahmen oder vielleicht sogar der ursprüngliche Code …«
    »Vielleicht«, schnitt Sellars ihm das Wort ab. Sam hatte den Eindruck, daß er über solche Sachen vor ihr nicht spekulieren wollte – oder vielleicht vor Orlando nicht, da dieser ja selbst Code war.
    Code. Bei der Vorstellung wurde ihr ganz flau im Magen. Mein bester Freund ist tot. Mein bester Freund lebt. Mein bester Freund ist Code. »Aber ich kann wiederkommen, ja? Ja?«
    »Ja, Sam, das kannst du. Wir werden uns einfach einen andern Ort dafür suchen, mehr nicht. Das ganze Netzwerk steht uns dafür zur Verfügung. Oder fast das ganze.« Sellars wurde ernst. »Es gibt ein paar Simwelten, die ich nicht fortzuführen gedenke.«
    »Aber sie sind es alle wert, erforscht zu werden!« wandte Kunohara ein.
    »Mag sein. Aber es wird uns schon schwer genug fallen, das Otherlandnetzwerk überhaupt am Laufen zu halten. Du wirst mir verzeihen, wenn ich es vorziehe, keine kostbaren Betriebsmittel auf die Welten zu verwenden, die fast ausschließlich der Folter und Päderastie gewidmet sind.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.« Kunohara klang nicht restlos überzeugt.
    Sam drehte sich wieder zu Orlando um und wollte seinen Blick auf sich ziehen, doch er schaute weg.

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