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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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restloser Beweis, aber meiner Meinung nach gilt hier, daß, was wahr scheint, auch wahr ist. Es ist undenkbar, daß sein Bewußtsein das furchtbare Ende aushielt. Die Ärzte, die ihn untersuchten, haben eine irreversible Katatonie diagnostiziert.« Er sah sich um. »Gut, wie gesagt, falls sonst keine Fragen mehr sind, nehme ich das als Aufforderung, endlich über den Grund zu sprechen, weshalb wir alle hier sind.«
    »Wir sind hier, weil du uns darum gebeten hast«, warf Renie ein. »Selbst wenn wir mit billigem Straßengear kommen mußten.«
    Sellars schloß kurz die Augen, und Renie fühlte sich wie ein aufsässiges Schulmädchen, aber sie hatte Martines Fragen völlig angebracht gefunden. »Ja«, erwiderte der alte Mann geduldig. »Und statt endlos weiterzureden, wo ich doch weiß, daß ihr alle meine Stimme in letzter Zeit bis zum Überdruß gehört habt, trete ich dieses Amt jetzt an Herrn Ramsey ab.«
    Catur Ramsey stand auf, setzte sich aber gleich wieder hin. »Entschuldigung«, sagte er. »Ich bin ein Prozeßanwalt und rede am liebsten im Stehen, aber vermutlich ist es der freundschaftlichen Atmosphäre zuträglicher, wenn wir die Besprechung möglichst formlos halten.«
    »Ein Anwalt?« rief Martine aus. »Wozu denn das in Gottes Namen?«
    Ramsey wirkte ein wenig eingeschüchtert. »Das ist sicher eine berechtigte Frage. Nun, ich denke, ich sollte als erstes eines deutlich aussprechen. Wir betrachten euch alle als Gründungsmitglieder der Otherland-Stiftung.«
    Renie traute ihren Ohren nicht. »Der … was? Eine Stiftung?«
    »Die Regierungen im südlichen Afrika gründeten viele Stiftungen für mein Volk und sein Land.« !Xabbus Stimme hatte einen ungewohnt scharfen Beiklang. »Danach hatte mein Volk kein Land mehr.«
    »Laßt mich bitte erklären«, sagte Ramsey. »Niemand hat vor, euch etwas wegzunehmen. Ich bin gegen meinen Willen in diese Sache hineingezogen worden, ich habe mich nicht darum gerissen.«
    »Du mußt dich nicht verteidigen, Herr Ramsey«, sagte Sellars. »Erzähl einfach, was dir passiert ist.«
    Und das tat der Anwalt. Es war ein Stück der Geschichte, das Renie noch nicht kannte, und es erschütterte sie sehr. Es war das erste Mal, daß sie mehr als eine kurze Erwähnung von Olga Pirofsky oder der kleinen Christabel Sorensen hörte.
    Meine Güte, waren da viele Leute drin verwickelt! dachte sie. Viel mehr als bloß wir paar drinnen und mein Vater, Del Ray und Jeremiah draußen. Und ein Wunsch stieg in ihr auf. Ich möchte ein paar von den Leuten kennenlernen, das kleine Mädchen und den Jungen, die wir am Schluß gesehen haben. Das waren echte Kinder! Ich möchte alle kennenlernen. Schließlich sind wir Mitglieder eines sehr kleinen, erlesenen Zirkels.
    Und ich möchte das Steinmädchen wiedersehen, spürte sie. Es fehlt mir, auch wenn es nicht real war. Sie beschloß. Sellars bei der nächsten Gelegenheit darauf anzusprechen.
    Ramseys Schilderung löste Fragen aus – viele der Anwesenden brachten erst jetzt sämtliche Facetten zusammen. Als endlich alle überwältigt schwiegen, war über eine halbe Stunde vergangen.
    »Ich muß mich wohl bei dir entschuldigen, Herr Ramsey«, sagte Martine schließlich. »Du hast selbst einen schweren Weg zurückgelegt.«
    »Nichts im Vergleich zu dem, was ihr alle durchgemacht habt, Frau Desroubins. Schon gar nicht, wenn ich an die andern denke, die es nicht überlebt haben – Olga, ihr armer, mißbrauchter Sohn, euer Freund Paul Jonas. Gemessen an euch andern war mein Einsatz gering. Aber das ist ein Grund mehr, daß ich euch bitten möchte, mir zuzuhören.«
    Renie meinte: »Ich denke, wir werden jetzt zuhören.«
    »Danke.« Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. »Gut, wie ihr bereits von Herrn Sellars erfahren habt, ist der gespeicherte Code für das Netzwerk im wesentlichen unversehrt geblieben.« Er deutete auf den von der Blase verzerrten Anblick der riesigen Bäume. »Wie ihr seht, hat Herr Kunohara seine Welt schon weitgehend wiederhergestellt. Und es warten noch andere Welten darauf, gerettet zu werden. Im Laufe der Zeit könnte alles gerettet werden.«
    »Könnte?« Martine stellte immer noch Fragen, allerdings in einem etwas freundlicheren Ton. »Wieso der Konditional?«
    »Weil ich sie nicht retten will«, antwortete Sellars impulsiv, »es sei denn, wir entschließen uns zu einem kühnen Schritt.« Er wartete, bis sich der Aufruhr wieder gelegt hatte. »Ich bitte um Verzeihung, ich hätte dich nicht unterbrechen sollen, Herr

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