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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vorsichtig mit Verdächtigungen«, ermahnte Sellars sie. »Wir sind hier Freunde, vergiß das nicht.«
    Kunohara schüttelte den Kopf. »Es war der Mann, den ich unter dem Namen Azador kannte. Ich wurde erstmals auf ihn aufmerksam, als er sich in meiner Simulation herumtrieb. Er erzählte mir Geschichten darüber, wo er überall gewesen war, und mir wurde klar, daß er sich fast genauso mühelos im Netzwerk bewegen konnte wie einer aus der Gralsbruderschaft. Ich hatte keine Ahnung, daß er eine unvollkommene Version von Jongleur war, sonst wäre ich vorsichtiger gewesen, aber ich erkannte, daß er wertvoll war – und zu meinem Glück leicht zu überreden. Ich bestärkte ihn in seinen ziemlich nebulösen Vorstellungen von dem Unrecht, das ihm die Bruderschaft angetan hatte – Vorstellungen, die er auf unterschwellige Art vom Andern selbst bekommen haben konnte, so wie auch die vielen fragmentierten Versionen von Avialle Jongleur an den Gedanken des Andern teilhatten –, und brachte ihn dazu, Sachen für mich in Erfahrung zu bringen.«
    »Du hast uns von ihm bespitzeln lassen«, sagte Martine düster.
    »Anfangs nicht. Ich begegnete ihm, bevor ich etwas von euch wußte. Ich war vor allem daran interessiert, mehr über die Pläne der Bruderschaft herauszubekommen. Ich sagte euch ja einmal, wer sie als Nachbarn und Pachtherren hatte, lebte wie im Italien der Medici – in ständiger Furcht um sein Leben. Und er war auf jeden Fall kein vollkommen gefügiger Diener. Ich hatte keine Ahnung, daß er General Yacoubian das Zugangsgerät entwendet hatte, dieses Ding in Gestalt eines Feuerzeugs.« Er breitete die Hände aus. »Doch ansonsten, ja, bekenne ich mich schuldig. Auf meinen eigenen heimlichen Streifzügen durch Jongleurs Ägypten erfuhr ich später, daß diese beiden da«, er deutete auf Orlando und Sam, »sich nach Ilions Mauern erkundigt hatten.«
    »Dann mußt du mit diesem Umpa-Lumpa gesprochen haben«, sagte Sam. »Sonst haben wir, glaub ich, mit niemand darüber geredet.«
    Kunohara nickte. »Ja, mit Upuaut. Ein ziemlich merkwürdiger Gott, und außerordentlich auskunftswillig. Ihr hättet eure Anbetung seiner Person kurz unterbrochen, meinte er, um ihm von eurer Suche zu berichten.«
    »Du hast also Azador nach Troja geschickt, damit er uns bespitzelt«, sagte Martine.
    »Das wollte ich. Aber mit den Ilias- und Odyssee-Simwelten war irgend etwas nicht in Ordnung – eine Kombination von eurer Gegenwart und dem Interesse des Andern an euch, denke ich. Wenn Paul Jonas ihn nicht gerettet hätte, wäre Azador nicht lebend in Troja angekommen.«
    »Du gibst Paul die Schuld?« fuhr Martine auf.
    Kunohara hob eine Hand. »Friede. Ich gebe niemandem die Schuld. Ich habe meine Taten zugegeben. Ich weise nur darauf hin, daß vieles von dem, was wir erlebt haben, zufallsbedingt war, wenigstens dem Anschein nach.«
    »Falls es sonst keine Fragen mehr gibt …«, begann Sellars.
    »Was ist mit Dread?« Martine war deutlich mit dem Vorsatz gekommen, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. »Den Meldungen nach ist er bewußtlos, liegt in einer Art Tandagorekoma. Heißt das, er wird eines Tages wieder aufwachen, so wie Renies Bruder?«
    »Selbst wenn«, erwiderte Sellars, »befindet er sich in Gewahrsam der australischen Polizei, die ihn strengstens bewacht. Er ist ein lange gesuchter Mörder.«
    »Er ist ein Teufel«, erklärte sie kategorisch. »Ich glaube erst, daß er keinen Schaden mehr anrichten kann, wenn er tot ist. Vielleicht nicht einmal dann.«
    »Soweit ich es nachverfolgen kann, hat er sich nie von dem System abgekoppelt.« Sellars sprach leise, aber bestimmt. »Er hielt den Kontakt zum Andern bis zu … bis zum Ende. Ihr alle wißt, was es hieß, mit dem Gehirn des Andern verbunden zu sein – du vielleicht am allermeisten, Frau Desroubins. Meinst du wirklich, Dread könnte den Tod des Andern geistig unbeschadet überstanden haben?«
    »Aber was ist, wenn er tatsächlich noch irgendwo im Netzwerk lebt?« bohrte Martine weiter. »Wenn sein Bewußtsein dort fortbesteht, wie es etwa bei Orlando der Fall war? Oder bei Paul, eine Zeitlang.« ihre Stimme war brüchig geworden.
    Sellars’ Nicken sah aus, als erklärte er sich einverstanden mit einer angemessenen Bestrafung. »Es gibt keinerlei Hinweis auf etwas Derartiges, keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein virtueller Geist oder Körper geschaffen worden wäre, nicht die kleinste Spur von Dread im ganzen wiederbelebten System oder Netzwerk. Das ist vielleicht kein

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