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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ramsey. Fahr bitte fort.«
    »Das Problem hat zwei Teile«, führte Ramsey aus. »Erstens, wem gehört das Netzwerk? Es wurde von der Gralsbruderschaft gebaut, aber alle ihre führenden Mitglieder sind tot. Sie schoben dabei diverse Unternehmen vor, aber in vielen Fällen handelten sie illegal, indem sie Gelder aus ihren eigenen Konzernen oder den von ihnen beherrschten Ländern zu ihrem rein persönlichen Nutzen veruntreuten.« Er erhob den Zeigefinger. »Die zwei größten Anteile an der technischen Infrastruktur gehörten der J Corporation und Telemorphix. Die J Corporation existiert noch, aber ihr Hauptquartier ist ein Trümmerhaufen aus Schutt und geschmolzenem Glas in einem See in Louisiana, und ihr Gründer ist tot. Telemorphix ist verschont geblieben, aber auch Wells ist definitiv tot – ihr habt vielleicht mitbekommen, daß sie es endlich bekanntgegeben haben.« Er holte tief Luft. »Wie dem auch sei, der Streit über die Besitzrechte wird sich jahrzehntelang hinziehen. Glaubt mir, dieser Fall wird allein den prozeßführenden Anwälten Hunderte und Aberhunderte Millionen einbringen.«
    »Und was sollen wir machen?« fragte Bonnie Mae Simpkins, die bis dahin geschwiegen hatte. »So läuft das doch immer, nicht wahr? Die kleinen Leute kriegen eins aufs Dach, und die Anwälte und großen Unternehmen sahnen kräftig ab.«
    »Ich wünschte, ich hätte die Zeit, meinen Berufsstand zu verteidigen«, sagte Ramsey. »Wir sind nicht alle Haie. Doch jetzt gibt es noch eine zweite Frage, eine Frage von größter Bedeutung. Und die Person, die sie vor allem betrifft, befindet sich hier im Raum.«
    Sellars ersparte ihnen eine Suche nach dunklen Winkeln in der vollkommen runden Blase. »Wir reden natürlich von Orlando Gardiner. Dieses Netzwerk ist jetzt Orlandos Lebensraum. Er kann nirgendwo anders leben.«
    Orlando zuckte mit den Achseln. »Im Moment hat doch niemand vor, den Stecker zu ziehen, oder? Fürs erste jedenfalls.«
    »Aber das ist immer noch nicht alles«, fuhr Ramsey fort. »Herr Kunohara?«
    Ihr Gastgeber, der wieder sein typisches schräges Lächeln aufgesetzt hatte, beugte sich vor. »Ihr alle – na ja, fast alle – wart dabei, als die Informationslebensformen freigelassen wurden. Trotz der Einwände einiger Anwesender bin ich übrigens weiterhin der Meinung, daß das die einzige vernünftige Lösung war. Könnt ihr euch die politischen und juristischen Streitereien über ihr Schicksal vorstellen, wenn wir die Entscheidung darüber den Leuten in der wirklichen Welt überlassen hätten?« Er sagte das so geringschätzig, als ob er mit der besagten Welt nicht das geringste zu tun hätte. »Nun gibt es aber noch ein Problem. Diese Kreaturen … nein, ein schlechtes Wort … diese Wesen sind jetzt fort, befreit aus ihren eingeengten Bedingungen. Aber die seinerzeit von Sellars erzeugten evolutionären Algorithmen, die Prozesse, die zu ihrer Entstehung führten, blieben nicht so hundertprozentig unter Verschluß. Denkt daran, der Andere war keine gesonderte Instanz, die das Netzwerk von außerhalb kontrollierte – in gewisser Hinsicht war das Netzwerk der Körper des Andern. Jeder Evolutionsbiologe weiß, daß Zellen, die sich in einem Teil eines werdenden Organismus als nützlich erweisen, irgendwann auch in anderen Teilen nutzbar gemacht werden können. Und die Entwicklung sowohl des Andern als auch des Gralsnetzwerks selbst ging sehr rasch vonstatten und ist noch immer nicht zureichend verstanden.
    Seit langem bemerke ich hier in meiner eigenen Simwelt Fälle von ungewöhnlichen oder sogar unmöglichen Mutationen. Die ersten traten schon vor Jahren auf und hatten somit nichts mit den viel gräßlicheren Mutationen zu tun, die auf Dreads Konto gehen. Anfangs dachte ich, diese Erscheinungen wären einfach Programmiermängel, später gab ich Manipulationen der Gralsbruderschaft die Schuld. Jetzt sehe ich das anders. Ich glaube, daß der Andere einige derselben evolutionären Algorithmen, mit deren Hilfe er seine Kinder gestaltete, im weiteren Netzwerk zur Anwendung brachte oder daß er zumindest unwissentlich ihr Einfließen in den Code zuließ.«
    »Also gibt’s zu viele Mutanten, irgendwie«, sagte Sam. »Soll Orlando sie umbringen? Er ist ho-dsang, wenn’s um Mutanten umbringen geht.«
    Kunohara sah sie entsetzt an. »Sie umbringen? Verstehst du denn nicht, Kind? Sie sind vielleicht kein evolutionärer Durchbruch von der Art, wie das Informationsleben einer war – das konnte unter den geschützten

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