Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Treibhausbedingungen gar nicht anders, als sich im Eiltempo zu immer höherer Komplexität zu entwickeln –, aber sie sind dennoch etwas Rares und Wunderbares. In gewissem Sinne ist dieses ganze Netzwerk beinahe lebendig! Ich vermute, daß sich die Algorithmen bereits ausgewirkt haben, sei es durch langsame Veränderung der allgemeinen Matrix, die spontane Entstehung ungewöhnlicher Formen oder sogar eine verstärkte Individualisierung der virtuellen Bewohner.« Abermals lächelnd lehnte er sich zurück, sichtlich zufrieden mit dieser Aussicht. »Wir haben keine Ahnung, was aus diesem Netzwerk werden kann. Wir wissen nur, daß es viel komplexer und lebendiger ist als jede bloße VR-Simulation.«
»Aha«, sagte Martine. »Also darum geht es.«
»Genau.« Catur Ramsey nickte. »Wir können uns alle ausmalen, was für gute und schlechte Folgen dieses Netzwerk haben kann. Die guten: ein Ort wie kein anderer, beinahe ein neues Universum, das die Menschheit schützen und erforschen und studieren kann. Die schlechten: unkontrolliertes Wachstum der pseudoevolutionären Informationsorganismen. Mögliche Verseuchung des weltweiten Netzes. Wer weiß, was sonst noch? Wollt ihr die Entscheidung über diese Eventualitäten wirklich denselben Konzernen überlassen, die es gebaut haben – und ihren Anwälten?«
Renie brach das lange, unbehagliche Schweigen. »Da wir schon nicht das Herz hatten, die Kinder des Andern zu liquidieren, willst du uns höchstwahrscheinlich nicht den Vorschlag machen, das ganze Netzwerk hochgehen zu lassen. Aber es in den Weltraum zu schicken, dürfte diesmal nicht ganz funktionieren. Also was ist die Alternative? Ihr seht aus, als hättet ihr schon was ausgebrütet.«
Sellars nickte. »Wir verstecken es.«
»Was?« Verdutzt schaute Renie zu !Xabbu hinüber, aber zu ihrem Erstaunen schmunzelte er. Sie wandte sich wieder Sellars zu. »Wie um alles in der Welt willst du es verstecken? Del Ray Chiume, um nur einen zu nennen, ist dabei, sämtlichen in Durban vertretenen Nachrichtennetzen lang und breit zu wiederholen, was ich ihm über das Netzwerk erzählt habe. Und damit wird er nicht der einzige sein. Sowas Großes läßt sich nicht einfach unter den Tisch kehren. Schon jetzt sind Leute dabei, Verfahren anzustrengen, um Himmels willen.«
»Und einer davon bin ich«, sagte Ramsey. »Nein, wir können nicht so tun, als wäre es nicht vorhanden.«
»Aber was wir ihnen zeigen, wird nicht unbedingt das echte Netzwerk sein«, erklärte Sellars. »Vergeßt nicht, daß ich inzwischen eine weitreichende Kontrolle darüber habe. Mit genug Rechenkapazitäten -Kapazitäten, die die interessierten Konzerne und Regierungen mit Sicherheit gern liefern werden – kann ich ihnen das ganze Netzwerk wiederherstellen. Aber das ist wahrscheinlich nicht einmal nötig, ich kann ihnen einfach den Code geben, und sie machen es selbst.
Das heißt jedoch nicht, daß sie das Netzwerk bekommen werden, das wir alle erlebt haben, zumal wenn ich ihre Version vorher von allem säubere, was nicht im ursprünglichen Code der Gralsbruderschaft enthalten war. Damit dürfte gewährleistet sein, daß sie nicht an die mutierten Algorithmen des Andern herankommen, die ja erst entstanden, als er meine Experimente entdeckte. Unterdessen kann das echte Netzwerk sorgfältig abgeschirmt in dem unabhängigen Privatnetz fortbestehen, das ich nach dem Vorbild von TreeHouse angelegt habe. Es gibt gleichgesinnte Kreise, die uns unterstützen werden. Wir können unser Netzwerk vollkommen isolieren.«
»Isolieren wohl«, meinte Martine, »aber geheimhalten?«
»Wenn wir ganz wenigen Leuten den Eintritt gestatten, können wir es schaffen. Denkt daran, Otherland ist ja kein richtiger Ort, es ist eine Idee, eine Idee, die bei ausreichenden Vorkehrungen jederzeit woanders lokalisiert werden kann.«
»Und wer wäre an diesem isolierten, geheimen Ort zugelassen?« fragte Martine.
»Ihr alle natürlich. Und Gäste eurer Wahl. Deshalb nennen wir euch ja auch Gründungsmitglieder der Otherland-Stiftung. Wenn ihr einverstanden seid, heißt das. Falls euch etwas Besseres einfällt, sagt es mir bitte.«
Renie hörte zu, wie die anderen – alle außer !Xabbu – redeten und argumentierten und sich bemühten, zu dem Vorschlag Stellung zu beziehen, aber sie wollte eine dringendere Frage beantwortet haben. »Warum hast du so geschmunzelt?« fragte sie !Xabbu . »Hältst du das für eine gute Idee?«
»Natürlich«, erwiderte er. »Die Großen und Starken
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