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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Bitte, bitte!«
    Sie schloß wieder die Augen und hielt fest und betete dabei zu allen erdenklichen Mächten, während ihr die Tränen über Backen und Hals liefen. Er bewegte den Fuß … die Hand … die andere Hand … den anderen Fuß, und dann berührte er sie nicht mehr.
    Aber wenn wir schon sterben müssen, dachte sie mit leiser, trauriger Bitterkeit, dann wünschte ich, es hätte so sein können, zusammen, zusammen …
    Sie hörte, wie er sich weiter vorn langsam auf dem Gesims vorantastete. »Du mußt weitergehen«, sagte er leise zu ihr. »Ihr müßt alle weitergehen. Es nützt nichts, wenn ich hier herumkomme, aber ihr stehenbleibt. Kommt!«
    Renie schüttelte den Kopf – begriff er denn nicht? Ihre zitternden Glieder verweigerten den Gehorsam. Sie war wie ein totes Insekt, außen ein harter Panzer, innen ausgelaufen.
    »Du mußt, Renie«, beschwor er sie. »Die anderen können nicht weiter, solange du dich nicht bewegst.«
    Sie vergoß noch ein paar Tränen und versuchte dann die Hand zu öffnen. Sie war hart und steif, eine Kralle. Sie bewegte sich ängstlich ein paar Zentimeter zur Seite und suchte gleich wieder Halt. Sie biß sich die Lippe blutig, um ja nicht an die Schmerzen in ihren Extremitäten zu denken, dann schob sie den Fuß ein winziges Stück vorwärts. Ihr Bein brannte wie Feuer, und ihr Knie knickte ein.
    »Geh weiter«, sagte !Xabbu irgendwo vor ihr. Sie starrte auf den schwarzen Fels. Stephen, sagte sie sich. Er hat sonst niemanden. Hilf ihm.
    Sie zog den anderen Fuß nach. Der Schmerz war so schlimm wie erwartet, doch er wurde nicht schlimmer. Sie atmete durch die Nase aus und holte die zweite Hand heran, dann fing sie die gleiche gräßliche Prozedur aufs neue an.
    Renie riskierte einen Blick zur Seite und wünschte sofort, sie hätte es gelassen. !Xabbu hatte die Stelle erreicht, wo der Berg vorsprang, und vollführte eine Reihe entsetzlich waghalsiger Manöver: Er duckte sich, um mit dem Kopf unter der dicksten Ausbuchtung hinwegzutauchen, und bewegte sich im Schneckentempo seitwärts, die Taille abgewinkelt, nur mit den Zehen auf dem Pfad und die Finger leicht auf den Stein gelegt, so daß er sein Hauptgewicht gerade noch vorn halten konnte. Während er Zentimeter um Zentimeter vorrückte, korrigierte er mit winzigsten Bewegungen die Balance, eine geringfügige Verschiebung von Kopf und Schultern hier, eine andere dort, und hangelte sich so langsam um die Wölbung herum. Renie fühlte ihre Tränen zurückkommen und wischte sich die beißenden Augen an ihrem ausgestreckten Arm.
    !Xabbu verschwand um die Ecke. Sie glitt noch ein paar Schritte vor und war jetzt an dem Punkt, wo der Fels nach außen kam. Sie preßte sich an die Wand, überzeugt von der Sinnlosigkeit des Ganzen, und wartete mit dumpfem Grauen auf den Schrei, der bedeutete, daß er abgerutscht war.
    Statt dessen sagte er: »Hier drüben ist Platz.«
    Es dauerte einen Moment, bis sie das Aufschluchzen, das aus ihr herausbrechen wollte, bezähmt hatte. »Was?«
    »Platz. Eine breite Stelle. Ihr müßt nur um die Ecke herumkommen. Es ist genug Platz zum Hinlegen da, Renie. Halte fest! Sage es den anderen!«
    »Lügner.« Sie biß die Zähne zusammen. Sie wußte, es konnte nicht sein – sie an seiner Stelle würde dasselbe sagen, irgend etwas erfinden, damit die anderen Kraft und Mut schöpften und den Versuch machten, um dieses grauenhafte Hindernis herumzukommen. »Es geht da drüben genauso weiter.«
    »Ich sage die Wahrheit, Renie.« Seine Stimme war heiser. »Beim Herzen von Großvater Mantis, ich sage dir die Wahrheit.«
    »Ich kann nicht!« jammerte sie.
    »Doch, du kannst. Komm so weit auf mich zu, wie es geht. Lehn dich zur Seite, nicht zurück, so behältst du die Balance. Versuche, mit der Hand zu mir herumzufassen. Wenn du mich berührst, erschrick nicht. Ich werde deine Hand fest nehmen und dir Halt geben.«
    »Er sagt, da drüben ist genug Platz, um zu rasten«, teilte Renie den anderen mit und bemühte sich dabei, so zu klingen, als glaubte sie es. Sie erhielt keine Antwort, aber sie sah Sam Fredericks aus dem Augenwinkel, fühlte die Erschöpfung und Panik des Mädchens. »Ein sicherer Platz. Nur noch ein kleines Stückchen.« Ohne im geringsten daran zu glauben, daß es gutgehen würde, gab sie !Xabbus Anweisungen weiter, damit die anderen wußten, was sie zu tun hatten, wenn sie an die Reihe kamen, dann rutschte sie noch etwas näher an den Vorsprung heran. Sie machte die Bewegungen, die !Xabbu ihr gesagt

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