Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Jongleur, ist einer der reichsten Leute der Welt, ungeduppt. Es heißt, die Regierung hier unten gehört ihm mehr oder weniger.«
»Das ist eine sehr unfreundliche Unterstellung …«, begann die Tourleiterin und wurde rot.
»Soll das ein Witz sein?« Der Mann schnaubte und wandte sich der englischen Familie zu. »Es heißt, Jongleur gibt nur deshalb nicht offen zu, daß die Regierung sein Privatbesitz ist, weil er dann Steuern darauf zahlen müßte.«
»Ist das nicht der, der zweihundert Jahre alt ist?« fragte die Engländerin, während ihr Mann sich über die Vorstellung kringelte, daß jemand sich eine Regierung als Privatbesitz hielt. »Ich hab mal was im Netz über ihn gesehen – er ist eine Maschine oder sowas.« Sie wandte sich an ihren Mann. »Das haben sie gebracht. Bei dem Gedanken ist es mir eiskalt den Rücken runtergelaufen.«
Die Tourleiterin winkte ab. »Über Herrn Jongleur werden viele übertriebene Meldungen verbreitet, zumeist Gemeinheiten. Er ist ein alter Mann, und es stimmt, er ist sehr krank.« Sie setzte das Standardgesicht der betroffenen Nachrichtensprecherin auf, fand Olga, die stereotype Mitleidsmiene, mit der im Netz immer Schulbusunfälle oder besonders brutale Mordfälle angesagt wurden. »Und selbstverständlich hat er Einfluß – die J Corporation ist der größte Arbeitgeber im Raum New Orleans und hat weltweite Verbindungen. Sie hat die Aktienmehrheit in vielen Firmen, bekannte Namen wie CommerceBank, Clinsor Pharmaceutical, Dartheon. Auch Obolos Entertainment, die die interaktiven Kindersendungen bringen. Wie heißt du?« fragte sie den kleinen Jungen. »Gareth, nicht wahr? Du kennst doch bestimmt Onkel Jingle, nicht wahr, Gareth?«
»Klar. Und Zoomer Zizz!« Er lachte und schlug seiner Mutter mit dem Leuchtstab ans Schienbein.
»Seht ihr? Die J Corporation hat einen großen Wirkungskreis und engagiert sich in umweltbewußten und verbraucherfreundlichen Unternehmen auf der ganzen Welt. Das Wohl unserer Mitmenschen hat bei uns oberste Priorität…«
Der Rest des Geplappers erreichte Olga nicht mehr, ja, eigentlich hatte sie in dem Augenblick abgeschaltet, als der Name Obolos fiel. Sie konnte sich nicht erinnern, daß ihr in all den Jahren, die sie für die Firma gearbeitet hatte, jemand etwas von einer J Corporation erzählt hatte. Aber freilich, wer achtete schon auf sowas? In einer Welt, wo jeder Firmenfisch Jäger und Beute zugleich war, wer konnte da sagen, welcher Fisch zuletzt zugeschnappt hatte?
Ich hätte Nachforschungen über den Turm anstellen sollen, unbedingt…
Aber es war beinahe so etwas wie eine religiöse Erfahrung gewesen, eine Offenbarung, keine Fleißaufgabe für freie Stunden. Die Kinderstimmen hatten sie aufgefordert zu kommen, und sie hatte ihre weltliche Habe weggegeben und war gekommen.
Onkel Jingle – Onkel Jingle kommt aus dem schwarzen Turm.
Olga Pirofsky saß noch knapp zwei Stunden in dem kleinen Boot, umringt von Gesichtern, deren Münder sich bewegten, aber deren Gerede sie nicht mehr mit anhören konnte – eine intergalaktische Raumfahrerin, die unter brabbelnden Außerirdischen gelandet war.
Onkel Jingle ermordet die Kinder. Und ich habe ihm dabei geholfen.
> »Versteh ich nich«, sagte Long Joseph. »Wo is’n dieser Sellars? Er wär am Fon, haste gesagt, er würd ständig anrufen. Aber jetzt ruft er gar nich an, nich die Bohne.«
»Er hat gesagt, er ruft wieder an.« Jeremiah hob hilflos die Hände. »Er hat was von irgendwelchen Machenschaften gesagt … Wir sind nicht die einzigen, die Probleme haben.«
»Schön, aber ich wette, wir sind die einzigen, die in ’nem Berg eingeschlossen sind, und draußen steht ’ne Bande von Burenkillern, die ihn aufsprengen und uns umbringen will.«
»Reg dich ab, Mensch! Ich krieg noch Kopfschmerzen von deinem ewigen Gemecker.« Del Ray Chiume war von seiner kurzen Kontrollrunde zurückgekehrt. »Beachte ihn gar nicht«, meinte er zu Jeremiah. »Lies uns einfach vor, was du mitgeschrieben hast. Wir dürfen keine Zeit mit Rumstreiten vergeuden.«
Long Joseph Sulaweyo paßte es gar nicht, wie die Dinge sich entwickelten. Es war schlimm genug, für Gott weiß wie lange mit nur drei Flaschen in Reserve am Arsch der Welt in einer unterirdischen Militärbasis festzusitzen und von Mördern belagert zu werden, aber jetzt sah es auch noch so aus, als wollte Del Ray – ausgerechnet Del Ray, den er selbst hierhergebracht hatte! – gemeinsame Sache mit Jeremiah Dako machen und gegen ihn
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