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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gestalten, und fortwährend landeten weitere. Kunohara klatschte kurz in die Hände, und die Innenbeleuchtung der Blase wurde hell, so daß sie die außen an der Kuppel klebenden Wesen erkennen konnten.
    Der Form der Körper nach, dem langen gepanzerten Hinterleib und dem glänzenden Brustabschnitt mit den schwirrenden Flügeln, hätten es Wespen sein können – doch wenn, dann war es zu einer extremen Fehlentwicklung gekommen. Wie die mutierten Kugelasseln hatten sie unnatürlich viele Beine in den wildesten Anordnungen, und während sie sich in immer wachsenden Massen auf der Blase zusammendrängten, preßten sie halbmenschliche Gesichter gegen die Außenhaut, deren groteske Züge durch ihre heftigen Anstrengungen, das Hindernis zu durchdringen, noch erschreckender gedehnt und gequetscht wurden.
    T4b sprang auf und sah sich fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit um, aber die Wespen bedeckten mittlerweile fast jeden Zentimeter der glasartigen Wand, so daß anstelle des diesigen Himmels eine Kuppel aus gepanzerten Gliedern und sabbernden, durch Mandibeln entstellten Mäulern zu sehen war.
    »Das ist Dread«, ächzte Martine mit versagender Stimme. »Dread hat sie geschickt. Er weiß, daß wir hier sind.«
    So viele der Wespenwesen krabbelten inzwischen in wirren Haufen übereinander, daß Paul meinte, die Blase werde jeden Moment unter ihrem Gewicht einbrechen. Einige der unteren, die von den anderen niedergetrampelt und zu Tode gedrückt wurden, fuhren häßliche Stacheln aus ihren Hinterleibern aus und stachen damit immer wieder in die Blasenhaut. Diese spannte sich zeltartig nach innen, aber riß zum Glück noch nicht.
    Paul packte Kunohara. »Schaff sie weg! Um Himmels willen, vereise sie, oder mach sonstwas! Sie können jeden Moment durchbrechen.«
    Ihr Gastgeber war nicht minder entsetzt, bemühte sich aber sichtlich um Ruhe. »Wenn ich Wind oder Eis gegen sie einsetze, destabilisiere ich damit das Haus, und dann geht es kaputt oder schwimmt den Fluß hinunter. Wir würden alle umkommen.«
    »Ihr und eure beschissenen Wirklichkeitsimitationen!« schrie Florimel. »Ihr reichen Idioten mit euern Spielzeugen!«
    Kunohara ignorierte sie. Beklommen beobachtete Paul, wie er eine Reihe rätselhafter Gesten vollführte, die aussahen, als ob jemand in einem friedlichen Park Tai-ji übte. Einen Moment lang war er fest überzeugt, daß der Mann völlig verrückt geworden war, doch dann begriff er, daß Kunohara die Liste seiner Befehle durchging, um auszuprobieren, was ihm von seiner Macht geblieben war.
    »Nichts«, zischte Kunohara und drehte sich mit kalter Wut zu Martine um. »Du mit deinen Beschuldigungen. Du hast nicht nur euch zum Tode verurteilt, als du so dumm warst, dieses Gerät zu benutzen, nein, obendrein hast du sie in mein Haus geführt und mich gleich mit verurteilt.« Auf eine Handbewegung von ihm hin öffnete sich ein Fenster in der Luft. Zuerst wußte Paul nicht, was die dort zu sehende brodelnde, verknäulte Masse darstellen sollte, doch dann erkannte er, daß es ein Blick von oben auf das Blasenhaus war, das inzwischen dermaßen mit Wespenmonstern überhäuft war, daß man seine wahre Gestalt kaum noch ahnen konnte.
    »Seht«, sagte Kunohara bitter. »Sie bauen eine Brücke zwischen uns und dem Land.«
    Er hatte recht. Die versammelten Wespen schoben einen länglichen Klumpen ihrer wimmelnden Leiber auf den wogenden Fluß hinaus, ein Selbstmordkommando, das sich gewissermaßen als Baumaterial opferte, um die freischwimmende Blase mit dem Ufer zu verbinden. Die Wespen auf der Unterseite des stetig länger werdenden Armes mußten zu Hunderten ertrinken, dachte Paul, und dennoch stießen immer mehr aus der Luft dazu und setzten die Brücke fort.
    Aber wohin? Paul strengte sich an, durch den Nebel zum dunklen Flußufer hinüberzuschauen, wo Grashalme im Wind wehten. Kunohara mußte denselben Gedanken gehabt haben, denn mit einer erneuten Handbewegung veränderte er den Fensterausschnitt und holte den sandigen Randstreifen näher heran. Es war gar kein Gras; es war ein geschlossenes Band käferartiger Gestalten, genauso gräßlich verunstaltet wie die Wespen, ein Heer von Tausenden und Abertausenden mißgebildeter Krabbler, die darauf warteten, daß die Wespenbrücke sie erreichte. Ganz vorn waren bereits Hunderte von klickenden Dränglern dabei, ihrerseits eine Kette zu bilden; in ihrem blinden Streben, den Wespen entgegenzukommen, kletterten sie übereinander und ließen sich auch im Ertrinken nicht

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