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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wie diese Erscheinung, von der ihr meint, daß sie Jongleurs Tochter ist, euch geleitet hat. Was sie auch sein mag, sie ist auf jeden Fall eng mit dem Andern verbunden, und sie kommt euch immer wieder zu Hilfe, genau wie eine gute Fee aus einem deiner französischen Märchen, Frau Desroubins. Oder wie ein Engel, um mit Jonas zu reden.«
    »Doch selbst wenn es so ist«, schaltete sich Florimel ein, »selbst wenn das Betriebssystem darauf aus ist, eine Märchenlogik auf alles anzuwenden, Tatsache ist, das Betriebssystem ist nicht mehr maßgebend. Soweit wir wissen, hat es das bißchen Unabhängigkeit eingebüßt, das es unter den Gralsleuten noch hatte, und befindet sich gänzlich in der Gewalt dieses mörderischen Schweins Dread.« Sie deutete auf ihr Gesicht. »Seht her, ich habe ein Ohr und ein Auge verloren! Selbst wenn ich lebend wieder in die wirkliche Welt zurückkomme, bin ich womöglich halb blind, halb taub. Obendrein könnte dieser Killer dafür gesorgt haben, daß es keine Heilung für meine Tochter gibt. Darum ist es sinnlos, hier zu sitzen und Märchen hin, Märchen her zu wälzen. Wo ist Dread? Wie kriegen wir ihn zu fassen? Wo waren wir letztens, als der Andere sich uns zeigte? Du bist ein Territorialherrscher in diesem virtuellen Universum, Kunohara. Du mußt in der Lage sein, Sachen zu ergründen, herumzukommen, zu kommunizieren.« Sie tat einen tiefen, zitternden Atemzug, und ihre Stimme wurde leiser, blieb aber genauso hart. »Wir haben dich schon einmal gefragt, ob du bereit wärst, uns zu helfen, und damals hast du gesagt, du würdest die Bruderschaft zu sehr fürchten, du wolltest dein Leben nicht aufs Spiel setzen. So, jetzt ist dein Leben in Gefahr. Wirst du uns helfen?«
    Eine Zeit verstrich, die Paul sehr lange vorkam. Ein matter Rotschimmer war draußen hinter den Nebelschwaden erschienen: Über Kunoharas imaginärer Welt ging die Sonne auf, allerdings war sie noch in Dunst gehüllt.
    »Du überschätzt mich«, antwortete Kunohara schließlich. »Mein eigenes System gehorcht mir kaum noch, und meine ohnehin geringen Möglichkeiten, auf die Gesamtinfrastruktur des Gralssystems Einfluß zu nehmen, habe ich gestern verloren, wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, als der Andere von eurem Feind überwältigt wurde. Ich weiß noch nicht, welche Fähigkeiten mir in meiner eigenen Welt geblieben sind, aber die Möglichkeit, alles zu überwachen, was hier geschieht, ist auf jeden Fall weg. Und ich kann auch nicht mehr Dinge oder Personen in das System hineinsetzen oder daraus entfernen, wie ich es früher konnte.« Er wandte sich Paul zu. »Deshalb konnte ich auch die Mutanten nicht einfach löschen, ja nicht einmal die Geißelspinne an einen anderen Ort versetzen. Ich mußte auf meine Fähigkeit zurückgreifen, das Wetter zu steuern, ein sehr notdürftiges Mittel.«
    »Und was sollen wir dann tun?« fragte Florimel, doch ihre Stimme hatte die Schärfe verloren. »Einfach kapitulieren? Hier Tee trinken und auf den Tod warten?«
    »Wir müssen das System verstehen lernen. Ohne Verständnis sind wir in der Tat verloren. Der Andere hat die Struktur des gesamten Netzwerks geschaffen oder wenigstens beeinflußt, und selbst wenn dieser Dread das System in seine Gewalt gebracht hat, müssen die Muster doch dieselben geblieben sein.«
    »Und was für Muster wären das?« fragte Martine. Sie hatte sich seit einer Weile nicht mehr zu Wort gemeldet. Sie wirkte zerstreut und hielt den Kopf geneigt, als ob sie auf etwas lauschte, das die anderen nicht hören konnten.
    Kunohara leerte sein Glas und stand auf. »Geschichten, Märchen. Eine heldenhafte Suche. Noch andere Sachen. Kinder und Kindheit. Tod. Auferstehung.«
    »Und Labyrinthe«, fügte Paul hinzu. »Der Gedanke kam mir seinerzeit auf Ithaka. Viele der Schnittstellen, die Gateways und so, sie befinden sich in Labyrinthen oder an Orten, die mit Tod zu haben. Aber ich dachte, das wäre einfach der schwarze Humor der Bruderschaft.«
    »Das wohl zum Teil auch«, meinte Kunohara. »Andererseits könnte es ganz praktische Gründe geben. Weil man sich an solchen Orten verirren kann, werden viele Menschen sie meiden, und das wiederum verschafft den Gralsbrüdern mehr Ungestörtheit. Aber ich bin in den diversen Welten viel herumgekommen, und meiner Meinung nach könnten zu viele Wiederholungen bestimmter Motive auch darauf hindeuten, daß das Betriebssystem entsprechende Umgewichtungen vorgenommen hat, daß es Anzeichen einer neu entstehenden Ordnung gibt, wenn ihr so

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