Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Tochter gefunden, und Olga Pirofskys Namen aus seiner Fonliste löschen. Die ganze Sache unter der Rubrik »Keine Ahnung, was das für ein Schwachsinn war« ablegen und sich wieder um seine übrigen Mandanten kümmern, um sein eigenes … na ja, Leben.
    Aber er konnte das Gesicht von Orlando Gardiners Mutter nicht vergessen, die tränenglänzenden Augen, auch nicht ihre Stimme, als sie ihm erklärt hatte, sie seien immer fraglos davon ausgegangen, sich wenigstens von ihrem Sohn verabschieden zu können. Er hatte diese selbe Stimme erst wieder vor zwei Stunden gehört, jetzt gebrochen und heiser, raschelig wie dürres Gras: Sie hatte ihm, beziehungsweise seinem System das Datum der Trauerfeier für Orlando mitgeteilt. Er hatte ihnen versprochen, er werde herausfinden, was er könne. Er hatte es versprochen.
    Er zögerte noch ein paar Sekunden, dann knüllte er den Karton zusammen und schob ihn in den Abfallschlitz neben dem Automaten.
     
    Sellars inhalierte etwas aus einem feuchten Lappen. Er sah auf, als Ramsey eintrat, und lächelte, eine waagerechte Verzerrung seines geschmolzen wirkenden Gesichts. »Die Sorensens kommen gleich wieder«, erklärte er. »Das kleine Mädchen hat schlecht geträumt.«
    »Sie hat viel mitgemacht«, sagte Ramsey. »Zuviel für ein Kind ihres Alters.«
    Sellars ließ traurig den Kopf sinken. »Ich hatte gehofft, sie müßte mit alledem nicht weiter behelligt werden.« Er inhalierte wieder aus dem Lappen. »Entschuldige bitte. Meine Lungen … sie funktionieren nicht so gut, wie sie sollten. Es wird besser werden, sobald ich Filter für meinen Luftbefeuchter bekommen kann. Meine Atemwege müssen immer feucht bleiben.« Etwas an Ramseys Gesichtsausdruck reizte ihn abermals zu lächeln, breiter diesmal. Er ließ seine runzligen Hände in den Schoß fallen. »Ich sehe, daß etwas dich beunruhigt. Meine Lungen? Oder meine Person im ganzen? Laß mich raten – Major Sorensen hat dir von mir erzählt?«
    »Nicht viel. Und das ist gewiß nicht das, was mich am meisten quält. Aber da du das Thema selbst ansprichst, ja. Er sagte …« Absurderweise kam es ihm plötzlich wie eine schlichte Unhöflichkeit vor. Ramsey schluckte und stieß hervor: »Er sagte, du wärst kein richtiger Mensch.«
    Sellars nickte und sah dabei aus wie ein uralter Bergeinsiedler. »Hat er dir meinen Spitznamen auf dem Stützpunkt gesagt? ›Der Mann vom Mars‹. Den Namen hatte ich allerdings schon, als Major Sorensen noch gar nicht auf der Welt war.« Das Lächeln kam wieder und verschwand. »Er trifft natürlich nicht zu. Ich bin nie auch nur in der Nähe des Mars gewesen.«
    Ramsey wurden auf einmal die Knie weich. Er langte nach einem Halt, fand eine Sessellehne und ließ sich nieder. »Willst du damit sagen, daß … daß du ein Außerirdischer bist? Von einem andern Stern?« Als wäre eine Linse ausgetauscht worden, schien ihm auf einmal Sellars’ eigentümlich gerunzelte Haut etwas ganz anderes zu sein als Narbengewebe – das fleckige rötliche Äußere eines unbekannten Tieres. Der klapprige alte Mann mit dem mißgebildeten Kopf und den seltsamen gelben Augen wäre als groteske Figur in einem Kinderbuch wunderbar gewesen, aber im Augenblick war es nicht recht auszumachen, was für ein übernatürliches Wesen er dargestellt hätte, ob freundlich oder grausam. Als die Tür zum Nebenzimmer abrupt aufging, zuckte Ramsey heftig zusammen.
    »Kaylene hat belegte Brote gemacht«, verkündete Michael Sorensen. »Ramsey, du solltest einen Happs essen, du siehst ganz elend aus.«
    Seine Frau kam mit einem großen Tablett in der Hand hinter ihm her, das allzu perfekte Bild traditioneller Weiblichkeit aus einem früheren Jahrhundert. Ramsey konnte sich nicht entspannen, ihm kam auf einmal alles unheimlich vor.
    »Ich wollte Herrn Ramsey gerade meine Geschichte erzählen«, sagte Sellars. »Nein, danke, Frau Sorensen, ich esse sehr wenig. Hat dein Mann dich schon über mich aufgeklärt, Frau Sorensen? Du wirst dich bestimmt ein wenig gewundert haben.«
    »Mike … Mike hat mir ein bißchen was erzählt.« Er war ihr sichtlich immer noch nicht ganz geheuer. »Bist du sicher, daß ich dir nicht irgendwas …?«
    »Oh, bitte!« Ramseys Geduldsfaden war bis zum Zerreißen gespannt. »Ich sitze hier wie auf Kohlen und warte darauf, daß dieser Mann mir gesteht, ein Außerirdischer zu sein, und währenddessen reden alle über belegte Brote. Belegte Brote, herrje!«
    Kaylene Sorensen blickte ihn streng an und legte einen Finger an

Weitere Kostenlose Bücher