Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
nickte. »Wie ein großer Jeep. Aber mit Dach. Der Soldat ist nicht da geblieben. Was eine Erleichterung war. Ich bin nicht prüde, aber so was dürfte ich nicht zulassen. Nicht hier.«
Reacher sagte: »Keine Sorge. Sie hat schon einen Freund.«
Oder hatte, dachte er.
Die Frau meinte: »Sie ist zu jung, um mit Soldaten herumzumachen.«
»Gibt’s dafür ein Mindestalter?«
»Es sollte eines geben.
Reacher zahlte seine Rechnung, ging die Zimmerzeile entlang zurück und überlegte. Laut Aussage des Alten hatte er Maria gestern Morgen gegen halb neun Uhr vor dem MP -Stützpunkt abgesetzt. Um sechs Uhr war sie dann mit einem Humvee zurückgekommen. Das Humvee hätte keinen Umweg über die Interstate gemacht. Es wäre direkt durch Despair gefahren und hätte höchstens eine halbe Stunde gebraucht. Also war sie einundzwanzig Stunden lang festgehalten worden. Folglich hatte ihr Problem die Kompetenzen des hiesigen MP -Kommandeurs überschritten. Sie war in ein Zimmer eingesperrt worden, und ihre Story war nach oben weitergegeben worden. Telefonate, Anrufbeantworter, abhörsichere Fernschreiben, vielleicht eine Konferenzschaltung. Zuletzt eine anderswo getroffene Entscheidung, Freilassung und das Angebot, heimgefahren zu werden.
Mitgefühl, aber keine Hilfe.
Keine Hilfe in welcher Angelegenheit?
Er blieb vor ihrer Tür stehen und horchte. Die Dusche lief nicht. Er wartete eine Minute für den Fall, dass sie sich abtrocknete, und eine weitere für den, dass sie sich anzog. Dann klopfte er an. Nach einer dritten Minute öffnete sie die Tür. Ihr noch nasses Haar hing glatt herab. Sie trug Jeans und ein blaues T-Shirt. Keine Schuhe. Maria hatte winzige Kinderfüße mit geraden Zehen, was auf gewissenhafte Eltern hinwies, die auf gutes Schuhwerk geachtet hatten.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er, was eine dämliche Frage war. Mit ihr war nichts in Ordnung. Sie wirkte klein und erschöpft, ratlos und verwirrt.
Sie gab keine Antwort.
Er sagte: »Sie waren auf dem MP-Stützpunkt, um nach Raphael zu fragen.«
Sie nickte.
Er sagte: »Sie dachten, sie könnten Ihnen helfen, aber sie haben’s nicht getan.«
Sie nickte.
Er sagte: »Sie haben Ihnen erklärt, dafür sei das Despair Police Department zuständig.«
Sie gab keine Antwort.
Er sagte: »Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Oder vielleicht die hiesige Polizei. Wollen Sie mir nicht erzählen, worum es überhaupt geht?«
Sie schwieg.
Er sagte: »Ich kann Ihnen nur helfen, wenn ich das Problem verstehe.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich darf Ihnen nichts erzählen«, sagte sie. »Ich darf niemandem etwas erzählen.«
Marias Art, das Wort darf auszusprechen, duldete keinen Widerspruch. Nicht mürrisch oder zornig, missmutig oder klagend, sondern ruhig, überlegt und letzten Endes einfach nur informativ. Als hätte sie eine ganze Hand voll Optionen geprüft und wäre zu dem Schluss gelangt, dies sei die einzig brauchbare. Als wären größte Unannehmlichkeiten unvermeidbar, wenn sie den Mund aufmachte.
Sie durfte niemandem etwas erzählen.
So einfach war das.
»Okay«, sagte Reacher. »Alles Gute.«
Er wandte sich ab und ging in das Schnellrestaurant, um zu frühstücken.
Weil er vermutete, dass Vaughan ihn im Motel abholen wollte, saß er um fünf vor zehn in dem Plastiksessel neben seiner Tür. Sie kreuzte um drei Minuten nach zehn mit einem schlichten schwarzen Crown Victoria auf. Matter, von Zeit und Sand stumpf gewordener Lack. Ein neutraler Dienstwagen, den ein Kriminalbeamter hätte fahren können. Sie hielt dicht neben ihm und fuhr ihr Fenster herunter. Reacher fragte: »Sind Sie befördert worden?«
»Das ist der Wagen meines Vorgesetzten. Er hat ihn mir aus Mitleid geliehen. Weil Sie meinen Chevy kaputt zurückgebracht haben.«
»Haben Sie den Schmutzfink geschnappt?«
»Nein. Und das ist jetzt ein Serienverbrechen. Später habe ich das grüne Einwickelpapier gesehen. Im Prinzip sind das zwei Einzelverstöße.«
»Maria ist wieder da. Die MP s haben sie gegen sechs Uhr morgens zurückgebracht.«
»Sagt sie irgendwas?«
»Kein Wort.« Reacher stand auf und stieg in den Wagen. Der Crown Vic war wirklich sehr schlicht. Viel schwarzer Kunststoff, viel mäusefellartiger Bezugsstoff in unbestimmter Farbe. Der Gesamteindruck war der eines uralten Leihwagens. Vorn war alles mit Polizeiausrüstung zugebaut: Funkgeräte, ein Notebook in schwenkbarer Halterung, eine Videokamera über dem Instrumentenbrett, eine zusätzliche Festplatte als
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