Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
Sie war vorsichtig und etwas misstrauisch, aber im Prinzip haben wir uns gut verstanden. Sie wollte meine Geldbörse sehen, um sich davon zu überzeugen, dass ich kein Ermittler bin. Als ich dann später gesagt habe, ich sei ein Cop gewesen, ist sie in Panik geraten. Ich habe zwei und zwei zusammengezählt und mir ausgerechnet, dass ihr Ehemann auf der Flucht war. Je mehr sie darüber nachgedacht hat, desto sorgenvoller ist sie geworden. Am nächsten Tag verhielt sie sich ausgesprochen feindselig.«
»Kein Wunder.«
»Dann habe ich ihren Mann flüchtig in Despair entdeckt und bin hingegangen, um mir sein Zimmer in einer Pension anzusehen. Es war leer, aber blitzsauber.«
»Ist das wichtig?«
»Entscheidend«, antwortete Reacher. »Lucy habe ich wiedergesehen, nachdem ihr Mann Despair verlassen hatte. Sie sagte, sie hätten Anwälte. Sie hat von anderen Leuten in ihrer Lage gesprochen. Als gehörten ihr Mann und sie irgendeiner Organisation an. Ich habe gesagt, ich könnte ihr zu ihrem Mann folgen, aber sie meinte, das würde mir nichts nützen.«
Die Bedienung kam mit einer Thermoskanne Kaffee, zwei Bechern und zwei Kaffeelöffeln. Sie goss ein und ging dann wieder. Reacher atmete den Dampf ein und probierte einen kleinen Schluck.
»Aber das hatte ich die ganze Zeit falsch in Erinnerung«, fuhr er fort. »Ich habe Lucy Anderson nicht erzählt, ich sei ein Cop gewesen. Ich habe gesagt, ich sei früher bei der Militär polizei gewesen. Deshalb ist sie in Panik geraten. Und deshalb waren die Zimmer der Pension so sauber und aufgeräumt. Wie Kasernenstuben vor der Spindkontrolle. Alte Gewohnheiten sind schwer auszurotten. Die Männer auf der Durchreise waren alle Soldaten. Lucy glaubte, ich sei hinter ihnen her.«
Vaughan sagte: »Deserteure.«
Reacher nickte. »Deswegen war Anderson so auffällig braun gebrannt. Er muss im Irak gewesen sein. Aber er wollte nicht wieder hin.«
»Wo ist er jetzt?«
»Kanada«, antwortete Reacher. »Aus diesem Grund hatte Lucy keine Angst, ich könnte sie beschatten. Das hätte mir nichts genützt. Keine Zuständigkeit. Kanada ist ein souveräner Staat, der bestimmten Gruppen von Deserteuren Asyl gewährt.«
»Der Kastenwagen«, sagte Vaughan. »Er stammte aus Ontario.«
Reacher nickte. »Wie ein Taxidienst. Die Wärmequelle auf dem Bildschirm war kein gestohlenes Uran, sondern Mrs. Rogers’ Ehemann in einem Geheimabteil. Körperwärme, genau wie bei dem Fahrer. Die Grüntöne waren identisch.«
65
Vaughan saß lange still und nachdenklich da. Die Bedienung kam zweimal zurück, um Reacher nachzuschenken. Vaughan rührte ihren Kaffee nicht an.
Sie fragte: »Woraus besteht die Kalifornien-Connection?«
Reacher antwortete: »Irgendwo dort draußen muss es eine Gruppe von Kriegsgegnern und Pazifisten geben, die Deserteuren zur Flucht verhilft. Vielleicht sind auch ein paar Militärfamilien eingebunden. Sie haben ein raffiniertes System entwickelt. Sie schicken die Männer mit legitimen Schrottlieferungen her, und ihre kanadischen Freunde schaffen sie nach Norden über die Grenze. Vor sieben Monaten hat ein Ehepaar aus Kalifornien mehrere Tage im Hotel in Despair gewohnt. Ich wette zehn zu eins, dass das die Organisatoren waren, die Sympathisanten werben wollten. Und diese Leute haben den gesamten Ablauf überwacht. Sie haben die Scheiben deines Trucks eingeworfen. Sie fanden, ich sei allmählich zu neugierig, und wollten mich weghaben.«
Vaughan schob ihren Kaffeebecher zur Seite und baute Salz- und Pfefferstreuer sowie Zuckerdose in gerader Linie auf. Sie stieß mit dem Zeigefinger den Pfefferstreuer an. Verschob ihn von seinem Platz. Stieß ihn erneut an und warf ihn um.
»Eine kleine Untergruppe«, erklärte sie. »Die wenigen Linkshänder, die hinter Thurmans Rücken arbeiten. Die Deserteuren zur Flucht verhelfen.«
Reacher sagte nichts.
Vaughan fragte: »Weißt du, wer sie sind?«
»Keine Ahnung.«
»Ich möchte rauskriegen, wer sie sind.«
»Weshalb?«
»Weil ich will, dass sie verhaftet werden. Ich will das FBI mit einer Namenliste anrufen.«
»Okay.«
»Was ist, willst du das nicht?«
»Nein, das will ich nicht«, entgegnete Reacher.
Vaughan war zu wohlerzogen und zu kleinstädtisch geprägt, um sich im Restaurant zu streiten. Sie warf nur etwas Geld auf den Tisch und stakste hinaus. Reacher folgte ihr, weil er wusste, dass das von ihm erwartet wurde. Sie wandte sich auf der Second Street nach rechts und ging nach Osten weiter. In eine ruhigere Gegend am
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