Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
verboten.«
»Nachts fliegt niemand zum Vergnügen. Da gibt’s nichts zu sehen.«
»Gutes Argument.«
Die junge Frau schwieg nochmals eine Minute lang, dann fragte sie: »Waren Sie in einer Zelle?«
»Für ein paar Stunden.«
»Mit anderen zusammen?«
»Nein.«
»Was für Leute haben Sie gesehen, als Sie noch mal dort waren?«
Reacher fragte: »Warum zeigen Sie mir nicht einfach ein Foto von ihm?«
»Wessen Foto?«
»Ein Foto Ihres Freundes.«
»Wozu sollte ich das tun?«
»Ihr Freund ist verschwunden. Das heißt, Sie können ihn nicht finden. Jedenfalls war das Officer Vaughans Eindruck.«
»Sie vertrauen Cops?«
»Manchen schon.«
»Ich besitze kein Foto von ihm.«
»Sie haben eine große Tasche. Die enthält bestimmt alles Mögliche. Vielleicht auch ein paar Fotos.«
Sie sagte: »Zeigen Sie mir Ihre Geldbörse.«
»Ich habe keine.«
»Eine Geldbörse hat jeder.«
»Ich nicht.«
»Beweisen Sie’s mir.«
»Was nicht da ist, lässt sich nicht beweisen.«
»Leeren Sie Ihre Taschen aus.«
Reacher nickte. Er verstand, was sie bewegte. Ihr Freund ist irgendwie auf der Flucht. Sie hat nach meinem Job gefragt. Sie muss sich davon überzeugen, dass ich kein Detektiv oder Ermittler bin. Ein Ermittler hätte einen belastenden Ausweis in seiner Geldbörse. Er hob seinen Hintern von der Bank und zog sein Geld, seinen alten Reisepass, seine Bankkarte und seinen Motelschlüssel aus den Hosentaschen. Seine Zahnbürste war in seinem Motelzimmer; sie stand aufgeklappt in einem Plastikbecher auf der Ablage über dem Waschbecken. Die junge Frau warf einen Blick auf die Dinge auf dem Tisch, dann sagte sie: »Danke.«
Er sagte: »Zeigen Sie mir jetzt sein Bild.«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Nein?«
»Er ist mein Mann.«
»Dann haben Sie sehr jung geheiratet.«
»Wir waren verliebt.«
»Sie tragen keinen Ring.«
Ihre linke Hand lag auf dem Tisch. Sie nahm sie hastig weg, ließ sie in ihrem Schoß ruhen. Aber er hatte weder einen Ring noch einen weißen Streifen an seiner Stelle gesehen.
»Wir haben uns ganz plötzlich entschlossen«, sagte sie. »Ein bisschen überstürzt. Wir dachten, wir würden uns die Ringe später besorgen.«
»Gehört der Ringwechsel nicht zur Zeremonie?«
»Nein«, sagte sie. »Das ist ein Mythos.« Nach kurzer Pause fügte sie hinzu: »Ich bin übrigens auch nicht schwanger, falls Sie sich das fragen.«
»Keine Sekunde lang.«
»Gut.«
»Zeigen Sie mir das Foto.«
Sie zog die graue Kuriertasche auf ihren Schoß und klappte den Deckel auf. Wühlte einen Augenblick darin herum und brachte eine dicke Geldbörse zum Vorschein, die ein durch einen kleinen Riemen mit Druckknopf verschlossenes Scheinfach und ein Kleingeldfach besaß. In der Klarsichthülle auf der Außenseite steckte ein kalifornischer Führerschein mit ihrem Foto. Sie öffnete den Druckknopf und blätterte in fächerartig auffaltbaren Fotohüllen. Schob eine Fingerspitze in eine davon und zog einen Schnappschuss heraus, den sie über den Tisch schob. Das aus einem Standardabzug irgendeines Schnelllabors zurechtgeschnittene Bild hatte nicht ganz gerade Ränder. Es zeigte die junge Frau in goldenem Licht auf einer Straße mit Palmen und einer Reihe hübscher Boutiquen im Hintergrund. Sie lächelte strahlend, vibrierte förmlich vor Liebe, Lebensfreude und Glück und schmiegte sich in die Arme eines ungefähr gleichaltrigen Kerls. Er war sehr groß, blond und athletisch. Ein Footballspieler. Er hatte blaue Augen, einen Bürstenschnitt, war braun gebrannt und lächelte breit.
»Das ist Ihr Mann?«, fragte Reacher.
Die junge Frau sagte: »Ja.«
Der Typ war einen Kopf größer als sie, ein Hüne, der sie weit überragte. Seine Arme waren fast so dick wie die Palmenstämme hinter ihm.
Nicht der Mann, über den Reacher in dieser Nacht gestolpert war.
Nicht mal annähernd.
Viel zu groß.
15
Reacher legte den Schnappschuss vor sich hin. Sah zu der jungen Frau hinüber und fragte: »Wie alt ist diese Aufnahme?«
»Nicht sehr alt.«
»Darf ich Ihren Führerschein sehen?«
»Wozu?«
»Ich muss nur etwas überprüfen.«
»Ich weiß nicht recht …«
»Ich weiß bereits, dass Sie nicht Anne heißen. Ich weiß, dass Sie nicht in Miami studieren. Ich tippe eher auf die University of California in Los Angeles. Dieses Foto sieht aus, als wäre es irgendwo dort gemacht. Die ganze Atmosphäre erinnert an L. A.«
Die junge Frau schwieg.
Reacher sagte: »Ich will Ihnen nichts Böses.«
Sie zögerte, dann schob sie
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