Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Titel: Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
keine gute Lügnerin. Ganz und gar nicht. In seinem früheren Beruf hatte Reacher mit ein paar echten Könnern zu tun gehabt. Diese hier ließ alle verräterischen Anzeichen erkennen: das Stocken, die Versprecher, das Stottern, die Unruhe, die gehetzten Blicke nach rechts. Nach Ansicht von Psychologen war die Erinnerung in der linken Gehirnhälfte und die Fantasie in der rechten angesiedelt. Deshalb sahen die Leute unwillkürlich nach links, wenn sie sich an etwas erinnerten – und nach rechts, wenn sie sich Dinge ausdachten. Wenn sie logen. Die junge Frau sah so oft nach rechts, dass sie Gefahr lief, ein Schleudertrauma zu bekommen.
    »Okay«, sagte Reacher. »Entschuldigen Sie die Störung.«
    Aber er stand nicht auf. Er blieb, wo er war, saß bequem da und füllte die für zwei Personen gedachte Kunstlederbank weitgehend aus. Aus der Nähe betrachtet war die junge Frau sogar noch hübscher. Sie hatte einen Anflug von Sommersprossen quer über dem Nasensattel und einen ausdrucksvollen Mund.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie jetzt.
    »Bloß ein Kerl«, antwortete Reacher.
    »Was für eine Art Kerl?«
    »Der Richter in Despair hat mich einen Landstreicher genannt. Also bin ich wohl diese Art Kerl.«
    »Kein Job?«
    »Schon lange nicht mehr.«
    Sie sagte: »Mich haben sie auch als Landstreicherin bezeichnet.«
    Ihr Akzent war schwer einzuordnen. Sie kam nicht aus Boston oder New York, aus Chicago oder Minnesota oder den Südstaaten. Vielleicht irgendwo aus dem Südwesten. Vielleicht aus Arizona.
    Er sagte: »In Ihrem Fall wohl fälschlicherweise.«
    »Ich weiß nicht genau, wie dieser Begriff definiert ist.«
    »Ganz einfach«, erklärte Reacher. »Jemand, der von einem Ort zum anderen zieht, ohne legale oder sichtbare Einkünfte zu haben.«
    »Ich bin auf dem College«, sagte sie.
    »Dann war der Vorwurf also unzutreffend.«
    »Sie wollten mich dort nur weghaben.«
    »Wo studieren Sie?«
    Sie machte eine Pause. Sah kurz nach rechts.
    »Miami«, sagte sie dann.
    Reacher nickte. In Miami studierte sie ganz sicher nicht. Wahrscheinlich nirgends an der Ostküste. Eher irgendwo im Westen. Vermutlich in Südkalifornien. Ungeübte Lügner wie sie wählten oft das Spiegelbild, wenn sie in Bezug auf geografische Angaben logen.
    »Was ist Ihr Hauptfach?«, fragte er.
    Sie erwiderte seinen Blick und sagte: »Die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.« Das stimmte vermutlich. Junge Leute sagten meist die Wahrheit, was ihr Fachgebiet betraf; sie waren stolz darauf und fürchteten, sie könnten sich auf einem anderen Gebiet blamieren. Oft wussten sie gar kein anderes. Das gehörte dazu, dass sie noch jung waren.
    »Kommt mir wie gestern vor«, meinte Reacher. »Nicht wie Geschichte.«
    »Was?«
    »Das zwanzigste Jahrhundert.«
    Sie gab keine Antwort. Verstand nicht, was er meinte. Sie kannte vielleicht acht oder neun Jahre des vorigen Jahrhunderts – alle aus der Kinderperspektive. Er kannte ein paar Jahre mehr.
    »Wie heißen Sie?«, fragte er.
    Sie sah wieder nach rechts. »Anne.«
    Reacher nickte. So hieß sie jedenfalls nicht. Anne war vermutlich der Name ihrer Schwester. Oder einer guten Freundin. Oder einer Cousine. Falsche Namen wählten Leute bevorzugt aus ihrer näheren Umgebung.
    Das Mädchen, das nicht Anne hieß, fragte: »Sind Sie unfair beschuldigt worden?«
    Reacher schüttelte den Kopf. »Ich bin wirklich ein Landstreicher.«
    »Wieso waren Sie dort?«
    »Der Name hat mir gefallen. Wieso waren Sie dort?«
    Sie gab keine Antwort.
    Er sagte: »Jedenfalls kein sehr sehenswerter Ort.«
    »Wie viel davon haben Sie gesehen?«
    »Beim zweiten Mal fast alles.«
    »Sie waren noch mal dort?«
    Er nickte. »Ich habe mir alles aus einiger Entfernung angesehen.«
    »Und?«
    »Der Ort war noch immer nichts Besonderes.«
    Die junge Frau schwieg. Reacher merkte, dass sie ihre nächste Frage abwog. Wie sie sie, ob sie sie stellen sollte. Sie drehte ihren Kopf zur Seite, blickte an ihm vorbei.
    »Haben Sie auch Leute gesehen?«, fragte sie.
    »Jede Menge«, sagte Reacher.
    »Haben Sie das Flugzeug gesehen?«
    »Ich habe eines gehört.«
    »Sein Besitzer ist der Typ mit dem großen Haus. Er startet jeden Abend um sieben und kommt um zwei Uhr morgens zurück.«
    Reacher fragte: »Wie lange waren Sie dort?«
    »Einen Tag.«
    »Woher wissen Sie dann, dass die Maschine jede Nacht unterwegs ist?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Vielleicht hat jemand es Ihnen erzählt«, sagte Reacher.
    Keine Antwort.
    Reacher sagte: »Rundflüge sind nicht

Weitere Kostenlose Bücher