Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
Thurman.
»Bestimmt?«
»Er sagt es mir.«
»Wacht er auch über Sie?«
»Er weiß, was ich tue.«
»Ist er damit einverstanden?«
»Das sagt er mir.«
»Warum hat Ihre Kirche dann einen Blitzableiter?«
Thurman gab keine Antwort. Er biss nur die Zähne zusammen, was seine Hamsterbacken noch deutlicher hervortreten ließ. Er fuhr langsam und schweigend weiter, bis sie den Korridor erreichten, der zum Personaleingang führte. Dort hielt er an, stellte den Wählhebel auf P und lehnte sich in seinen Sitz zurück.
»Genug gesehen?«, fragte er.
»Mehr als genug«, antwortete Reacher.
Thurman sagte: »Dann möchte ich mich jetzt von Ihnen verabschieden. Ich vermute, dass unsere Wege sich nicht noch mal kreuzen werden.« Er zog den Ellbogen an den Körper und streckte unbeholfen die rechte Hand aus. Reacher schüttelte sie. Sie fühlte sich weich, warm und knochenlos an – wie ein mit Wasser gefüllter Kinderballon. Dann öffnete Reacher seine Tür, stieg aus und ging durch den abknickenden Korridor auf den großen Parkplatz hinaus.
Alle Fenster von Vaughans Truck waren eingeworfen.
39
Reacher blieb einige Augenblicke unbeweglich stehen und überlegte, welche Möglichkeiten ihm offenstanden, bevor er den Chevy aufsperrte und Steine sowie Sicherheitsglaskrümel von Instrumentenbrett und Sitzen wischte. Er scharrte sie auch aus dem linken Fußraum. Er wollte nicht, dass das Bremspedal sich nur halb durchtreten ließ. Oder das Gaspedal. Der Truck war ohnehin schon langsam genug.
Drei Meilen bis nach Despair, zwölf bis zur Gemeindegrenze und dann fünf bis nach Hope. Eine zwanzig Meilen lange Fahrt, kalt, langsam und verdammt windig. Wie auf einem Motorrad ohne Schutzbrille. Reachers Gesicht war gefühllos, und seine Augen tränten, als er endlich ankam. Kurz vor neun Uhr parkte er vor dem Schnellrestaurant. Vaughans Streifenwagen stand nicht dort. Das Restaurant war zu drei Vierteln leer, der Frühstücksansturm vorbei.
Reacher setzte sich in die hinterste Ecke und bestellte bei der Bedienung, die tagsüber Dienst hatte, Kaffee und ein Frühstück. Die Studentin war längst nach Hause gegangen. Während die Frau ihm aus einer Thermoskanne Kaffee einschenkte, fragte er sie: »War Officer Vaughan heute Morgen schon hier?«
»Sie ist vor ungefähr einer halben Stunde gegangen«, antwortete die Frau.
»Alles in Ordnung mit ihr?«
»Sie war ein bisschen still.«
»Was ist mit Maria? Der jungen Frau aus San Diego?«
»Die war vor sieben Uhr da.«
»Hat sie etwas gegessen?«
»Reichlich.«
»Was ist mit Lucy? Der Blondine aus L. A.?«
»Hab sie nicht mehr gesehen. Sie ist abgereist, glaube ich.«
»Was macht Officer Vaughans Ehemann beruflich?«
Die Bedienung sagte: »Nun, nicht mehr allzu viel«, als wäre das eine dämliche Frage. Als wäre das eine Situation, die für jedermann offensichtlich sein müsste.
Nicht jedoch für Reacher.
Er fragte: »Was ist er, arbeitslos?«
Die Frau wollte bereits antworten, aber dann fiel ihr anscheinend ein, dass es ihr nicht zustehe, etwas Vertrauliches preiszugeben. Sie schüttelte nur verlegen den Kopf und eilte geschäftig mit ihrer Thermoskanne davon.
Zwanzig Minuten später setzte Reacher sich wieder in den beschädigten Chevy, fuhr nach Süden, überquerte die Third und Fourth Street und bog an der Fifth Street links ab. Weit vor sich konnte er Vaughans am Randstein geparkten Streifenwagen erkennen. Er fuhr weiter und hielt dahinter an – auf einer Höhe mit dem Briefkasten mit den perfekt ausgerichteten Lettern –, blieb noch einen Augenblick am Steuer sitzen. Dann stieg er aus und legte eine Hand auf die Motorhaube des Crown Vic. Sie war noch immer ziemlich warm. Sie hatte das Restaurant vor etwa einer Stunde verlassen, war aber dann offenbar noch eine Weile herumgefahren. Vielleicht auf der Suche nach ihrem Chevy. Oder nach ihm. Oder nach keinem von beiden. Er setzte sich wieder ans Steuer, stieß mit dem Truck zurück und holperte in ihre Einfahrt. Der Kühler des Wagens war keine halbe Handbreit vom Garagentor entfernt, als er den Motor abstellte. Das Abschließen sparte er sich. Es kam ihm ein bisschen sinnlos vor.
Er folgte dem Fußweg, der sich durch die Büsche schlängelte, bis zu ihrer Haustür. Mit ihrem über seinen Zeigefinger geschobenen Schlüsselring tippte er einmal ganz kurz auf den Klingelknopf. War sie wach, würde sie das hören. Schlief sie, würde sie davon nicht aufwachen.
Sie war wach.
Die Haustür ging auf, und Vaughan stand
Weitere Kostenlose Bücher