Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
sich ja kaum über sein Fernrohr beschweren, wenn sie selbst gar kein Recht hatten, sich im Haus nebenan zu vergnügen.
Und dann, gerade als die Frau unterhalb des Fensters aus seinem Blickfeld verschwand, korrigierte Oliver sich in einem wichtigen Punkt. Die Frau hatte sich gar nicht mit irgendjemandem vergnügt.
Sie war allein im Schlafzimmer gewesen.
Er lachte – ein ungestümes, triumphierendes Bellen. Sogleich lief er zur Luke und stieg die Leiter hinab, spürte voller Vorfreude, wie es sich in seiner Hose regte, während er eine weitaus verlockendere Hypothese bis zu ihrer logischen Schlussfolgerung durchspielte.
Sie hatte den beiden Männern vielleicht gar nichts von dem Fernrohr erzählt. Vielleicht war sie ja aus freien Stücken nach nebenan gegangen. In diesem Fall eröffneten sich unbegrenzte Möglichkeiten, ebenso reizvoll wie gefährlich.
»Sie kommt«, flüsterte Oliver. Seine Stimme klang belegt, wie verschleimt. »Sie will mich.«
14
Feltons Wohnhaus war mit dem gleichen Zugangssystem ausgestattet wie Dreamscape. Die Gegensprechanlage war in eine Platte aus gebürstetem Edelstahl eingelassen, die an der hohen Grundstücksmauer befestigt war. Ein kleines Gitter verbarg Mikrofon und Lautsprecher, und darüber war das kleine, runde Objektiv einer Kamera zu erkennen.
Priya drückte den Klingelknopf und wartete. Sie fühlte sich unangenehm exponiert. Die Sonne stand jetzt tiefer am Himmel, war aber immer noch gnadenlos heiß. Die Luft war zäh und schwer; nicht die leiseste Meeresbrise brachte Erleichterung. Der Geruch des Wiesenkerbels stieg Priya in die Nase, so überwältigend süß, dass ihr fast übel wurde.
Sie hätte nicht kommen sollen. Das war eine ganz schlechte Idee.
Sie klingelte noch einmal, und ein Kribbeln überlief sie,
während die Härchen in ihrem Nacken sich aufrichteten. Ein Hitzegefühl breitete sich über ihren Brustkorb aus und stieg ihr bis ins Gesicht. Sie wurde beobachtet – von den gleichen gierigen Augen wie zuvor.
Sie blickte sich um, suchte die Straße in beiden Richtungen ab. Keine Autos, keine Stimmen, keine Musik. Nur ein müdes Zwitschern aus dem Wald hinter ihr, als hätten in dieser Hitze selbst die Vögel die Lust am Singen verloren.
Sie trat von der Mauer zurück und schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, während sie die oberen Stockwerke des Hauses inspizierte. Zur gleichen Zeit ließ das Kribbeln nach.
Es musste die Kamera sein. Er war da drin und beobachtete sie auf einem Monitor.
Priya seufzte. Die Vorstellung, Liam beichten zu müssen, dass ihr Versuch der Kontaktaufnahme gescheitert war, behagte ihr gar nicht. Er hatte ohnehin schon eine sehr geringe Meinung von ihr. Und wenn sie den Jungen durch ihr Auftauchen so erschreckt hatte, dass er seinen Vater anrief, dann war die ganze Operation gefährdet.
Sie atmete langsam durch. Bemüht, einen ruhigen und beherrschten Eindruck zu machen, trat sie wieder an die Gegensprechanlage. Sie drückte auf den Knopf und ließ den Finger darauf, während sie in das Gitter sprach.
»Hallo? Sind Sie da?« Sie hatte keine Ahnung, ob er sie hören konnte, aber inzwischen hatte sie nichts mehr zu verlieren.
»Sind Sie das, Oliver? Bitte, lassen Sie mich wissen, ob Sie mich hören.«
Sie ließ den Knopf los und wartete. Immer noch spürte sie das Kribbeln auf der Haut, doch sie kämpfte gegen ihren Abscheu an und sah direkt in die Kamera, wobei sie
sich von der gewissenhaften jungen Schülerin, die sie einst gewesen war, ein liebreizendes, schüchternes Lächeln lieh.
Keine Antwort. Er war nicht bereit, sich zu erkennen zu geben. Aber er war da, daran hatte sie keinen Zweifel.
Als sie sich zum Gehen wandte, sagte sie sich, dass ihre Aktion doch nicht ganz umsonst gewesen war. Vielmehr hatte sie ein Fundament gelegt, auf dem sich aufbauen ließ.
Oliver hörte das Summen der Gegensprechanlage, als er den Flur entlangrannte. Am oberen Treppenabsatz war auch ein Apparat, doch er ignorierte ihn. Der im Erdgeschoss hatte einen größeren Bildschirm.
Als er dort ankam, ertönte der Summer zum zweiten Mal. Er schnappte den Hörer und aktivierte so die Kamera, die in die Grundstücksmauer eingebaut war – und da stand sie direkt vor ihm. Kühl und ruhig und wunderschön. Riesige dunkle Augen. Die Lippen so voll und weich, dass er nur ahnen konnte, was für ein Gefühl es sein musste, wenn sie ihn verschlangen.
Sie spähte mit gerunzelter Stirn in die Kamera und trat dann zurück. Oliver hätte fast
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