Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
»Spielzeugladen«. Cassie ließ in gespieltem Entsetzen die Schultern hängen. Ein paar Häuser weiter, an der Ecke West Street, war eine Filiale von Modelzone , einer Kette von Modellbauläden.
»Na ja, wenn ich euch beide schon durch Debenhams schleife, werde ich es auch noch aushalten, ein paar Minuten lang Modellautos anzustarren.«
»Autos!«, kreischte Jaden. Er zerrte an Joes Hand. »Ich will Autos gucken!«
Ein paar Minuten, wenn wir Glück haben , dachte Joe.
Aber was ihnen dann in die Quere kam, war noch viel schlimmer.
Es war ein Junggesellinnenabschied. Langsam, mit unsteten Bewegungen, wälzte sich der Schwarm die West Street hinauf, ein Dutzend Frauen im Alter von knapp zwanzig bis um die sechzig. Frauen in allen Formen und Größen, alle in knappen schwarzen Satinkleidchen, die einigen
deutlich besser standen als anderen. Alle schon betrunken, aber in bester Stimmung, lachten und blödelten sie und pöbelten jeden an, der dumm genug war, auf sie zu zeigen oder in ihre Richtung zu starren.
Joe sah sie, als er mit Cassie und den Kindern die West Street an der Fußgängerampel überquerte. Jaden, der es kaum erwarten konnte, das Angebot von Modelzone zu begutachten, zerrte ungeduldig an seiner Hand. Als sie vor dem Schaufenster stehenblieben, hoffte Joe, Cassie vor neugierigen Blicken abschirmen zu können, indem er sich hinter sie stellte. Sie beugte sich über den Buggy und sprach mit Sofia; die Junggesellinnen schien sie gar nicht bemerkt zu haben.
Aber die Junggesellinnen hatten sie bemerkt.
Das erste Anzeichen dafür war das Absinken des Geräuschpegels. Joe riskierte einen Blick über die Schulter, weil er dachte, sie hätten die Straßenseite gewechselt, doch sie waren nur fünf oder sechs Meter entfernt und kamen immer näher. Drängten sich dicht zusammen, stießen einander an und tuschelten. Ein paar beäugten ihn bereits neugierig.
Die Wortführerin des Rudels war eine untersetzte Frau in den Zwanzigern mit Tätowierungen an beiden Armen und zwei Teufelshörnern aus Plastik in den Haaren. Sie wankte über den Gehsteig und kam vor Joe zum Stehen, der immer noch versuchte, Cassie abzuschirmen.
»Das ist doch Cassie Briggs, oder?«, sagte sie, und Joe hörte, wie Cassie mitten in einem Satz, den sie zu Sofia sagte, abbrach und erschrocken nach Luft schnappte.
Die übrigen Frauen bauten sich im Halbkreis um sie auf. Sie beäugten das Baby im Kinderwagen und seine Mutter, die stocksteif dahinterstand und die Griffe so fest umklammerte, dass ihre Knöchel weiß wurden.
»O Gott! Sie ist es!«
»Singen Sie eigentlich noch? Hab schon seit Jahren nichts mehr von Ihnen gehört.«
Cassie sah ihr in die Augen und lächelte tapfer. »Nein. Ich bin eigentlich nicht …«
»Sie hat doch ein Kind gekriegt, nicht wahr?« Eine der Frauen deutete auf Jaden, dessen Interesse weiterhin ausschließlich den Sportwagenmodellen im Schaufenster galt. »Mit diesem Typen aus Hollyoaks . Dean irgendwas.«
»Ach, der? Mann, der vögelt doch alles, was sich bewegt …« Das Mädchen stockte, als ihr wieder einfiel, mit wem sie redete, kam aber sehr schnell über ihre Verlegenheit hinweg und kicherte stattdessen.
»Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte Cassie. Ihre Stimme klang einigermaßen freundlich, doch auf ihren Wangen glühten rote Flecken – sie kochte vor Wut und Scham.
»Haben Sie ihn im Dschungelcamp gesehen?«, fragte eine andere sie.
Cassie schüttelte den Kopf.
»Kann man ihr nicht verübeln«, meinte eine andere. »Wieso soll sie ihn im Fernsehen angucken, wo er sie hat sitzen lassen?«
»Ich dachte, sie hat mit ihm Schluss gemacht? So hab ich‘s in der Heat gelesen.«
»Ich hätte nix dagegen zuzuschauen, wie mein Ex ’ne Handvoll Maden frisst«, warf eine ältere Frau ein.
»Na, wenn er deine Kochkünste überlebt hat …«
Wildes Gelächter, in das Cassie höflich einstimmte. Joe spürte, wie jemand gegen ihn stieß – es war Jaden, der am Schaufenster entlangrutschte, die Nase an die Scheibe gedrückt.
Die Rädelsführerin trat näher und begaffte Joes Gesicht
aus nächster Nähe. Ihr Atem hätte Mauern erweichen können.
»Sind Sie ihr Neuer?«
Während Joe den Kopf schüttelte, sagte eine aus der Gruppe: »Nee. Sie hat so ’nen ollen Russen geheiratet. Stinkreicher Typ.«
»Und wer ist dann der hier?« Die Frau grinste anzüglich. »Hast du auch ’nen Namen, Süßer?«
Joe sagte nichts. Die Stimme der Frau hatte einen drohenden Unterton, ein Hinweis darauf, dass die
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