Owen Meany
Anhänger von
Owen Meany; Mr. Early – jener unbegabte Mime, der in jeder Rolle, die er bei
den Gravesend Players erhielt, die schwülstige Tragik eines King Lear zum
Ausdruck brachte – rief aus, er werde das »Genie ohne Furcht und Tadel« der ›Stimme‹
verteidigen, falls nötig »unter Einsatz meines Lebens«. Das würde nicht nötig
sein, da war Dan Needham sicher; doch daß Owen von einer Niete wie Mr. Early
unterstützt wurde, war noch schlimmer, als wenn er gar keine Unterstützung
erhalten hätte.
Mehrere Bewerber für die Stelle des Schulleiters gaben zu, daß ihre
Unterredung mit der ›Stimme‹ »entmutigend« verlaufen sei; ich bin sicher, sie
waren nicht auf seine Größe vorbereitet, und wenn sie ihn reden hörten, lief es
ihnen bestimmt kalt den Rücken runter, und es behagte ihnen nicht, daß eine
solche Stimme sich nur in Großbuchstaben drucken
ließ. Einer der favorisierten Bewerber zog seine Bewerbung zurück; obwohl es
keine klaren Beweise gab, daß Owen dabei seine Hand im Spiel hatte, erklärte
der Mann, es herrsche unter den Schülern ein »allgemein anerkannter zynischer
Ton«, der ihn »deprimiert« habe. Er fügte hinzu, diese Schüler legten eine
überhebliche Einstellung an den Tag – und »eine so weitgehende Freizügigkeit im
mündlichen Ausdruck, daß ihre liberale Erziehung bereits zu liberal erscheint«.
»Unsinn!« hatte Dan Needham bei der Konferenz ausgerufen. »Owen
Meany ist nicht zynisch! Wenn der Mann damit wirklich auf Owen angespielt hat,
dann hat er ihn gründlich mißverstanden. Gut, daß er weg ist!«
[416] Doch nicht alle Lehrer dachten
wie er. Der Berufungsausschuß würde ein weiteres Jahr brauchen, um die Suche
zufriedenstellend abzuschließen; der derzeitige Schulleiter stimmte freudig zu,
seine Pensionierung – zum Besten der Schule – um ein weiteres Jahr aufzuschieben.
Alles tat er »zum Besten der Schule«, der alte Direktor; und seine Unterstützung war es, die Owen Meany – eine Zeitlang – die Feinde
vom Leib hielt.
»Er ist ein erfrischender kleiner Kerl!« sagte der Schulleiter. »Ich
möchte nicht auf ›Die Stimme‹ in der Schülerzeitung verzichten – nicht um alles
in der Welt!«
Er hieß Archibald Thorndike, und er war schon immer Schulleiter
gewesen; er hatte die Tochter seines Vorgängers geheiratet, und er war so sehr
»von der alten Schule«, wie es ein Direktor nur sein kann. Obwohl die neueren,
progressiveren Lehrer sich über Archie Thorndikes zögerliches Verhalten
beklagten, wenn es um die Umgestaltung des Lehrplanes ging – ganz zu schweigen
von seinen Ansichten über »den ganzen jungen Menschen« –, so hatte der Schulleiter
doch keine Feinde. Der alte »Thorny«, wie er genannt wurde – und er ermutigte
sogar die Jungen dazu, ihn »Thorny« zu nennen –, war ein typischer Schulleiter,
und zwar auf eine so nette, beruhigende und oberflächliche Art, daß niemand
etwas Unfreundliches über ihn denken konnte. Er war ein großer,
breitschultriger Mann mit weißem Haar und einem Gesicht, das so zweckmäßig
wirkte wie die Ruder, die er so gern ergriff; er war ein Ruderer, er liebte es,
im Freien zu sein – er war ein Mann, der ungebügelte Hosen aus weichem Stoff
mochte, etwa Leinen- oder Cordhosen, und eine Tweedjacke mit Flicken auf den
Ellbogen, die an einigen Stellen nicht mehr ganz fest saßen. Hutlos
durchschritt er unsere New-Hampshire-Winter, und er war – selbst bei bitterster
Kälte – ein so eifriger Fan unserer Sportmannschaften, daß er seine Narbe von
einem Hockeypuck mit einem Stolz trug, als sei sie ein Verdienstkreuz; der Puck
hatte ihn über dem [417] Auge getroffen, als er
bei einem Ehemaligenspiel im Tor stand. Er stand bei allen Ehemaligenspielen im
Tor.
»Eishockey ist nichts für Weichlinge!« sagte er gern. Und in einem
anderen Zusammenhang führte er zur Verteidigung Owen Meanys an: »Die Gebildeten
werden die Gesellschaft verbessern – und zuallererst werden sie sie dadurch verbessern,
daß sie Kritik an ihr üben, und wir geben ihnen das Werkzeug, das sie dazu
brauchen, in die Hand. Natürlich werden die gescheitesten von ihnen mit ihrer
Verbesserung der Gesellschaft beginnen, indem sie uns kritisieren.«
Owen gegenüber schlug der alte Archie Thorndike einen anderen Ton an: »Es ist
deine Pflicht, Fehler an mir zu finden; meine ist es, dir zuzuhören. Aber
erwarte nicht von mir, daß ich mich ändere. Ich werde
mich nicht mehr ändern; ich werde mich pensionieren lassen! Bring
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