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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und dritter Hand – war
typisch schwammig: Den Eltern wurde mitgeteilt, daß es »keine spezifischen
Zulassungsbedingungen« gäbe; weiterhin wurde ihnen mitgeteilt, daß keine
Farbigen oder Juden an dieser Schule seien.
    Dan Needham hatte seine eigene Geschichte über die Begegnung mit
Randy White zu erzählen; das war, nachdem White die [448]  Anstellung
angeboten worden war. Es war ein wunderschöner Frühlingstag – die Forsythien
und der Flieder standen in voller Blüte –, und Dan Needham ging mit Randy White
und seiner Frau Sam durch den Innenhof der Schule. Sam White war zum ersten Mal
hier, und sie interessierte sich für die Theatergruppe. Fast unmittelbar nach
ihrer Ankunft hatte Mr.   White die Entscheidung getroffen, das Angebot für den
Posten des Direktors anzunehmen. Dan meinte, die Schule hätte noch nie so schön
ausgesehen. Der Rasen war frisch gemäht und von frühlingshaft grüner Farbe; er
war aber nicht so frisch gemäht, daß er regelrecht gestutzt aussah; der Efeu
glänzte vor dem roten Ziegelsteingebäude, und die Lebensbäume und
Ligusterhecken an den Wegen durch den Innenhof standen in gleichförmigem,
dunkelgrünen Kontrast zu den wenigen leuchtendgelben Löwenzahnblüten. Dan ließ
es über sich ergehen, daß ihm der neue Direktor die Finger der rechten Hand
fest zusammendrückte; Dan blickte in das adrette, nichtssagende Gesicht von
Sam, die ein entrücktes Lächeln aufgesetzt hatte.
    »Sieh dir den Löwenzahn an, mein Schatz«, sagte Randolph White.
    »Er sollte samt den Wurzeln herausgerissen werden«, erklärte Mrs.
White entschieden.
    »Das sollte er in der Tat – und das werde ich auch veranlassen!«
stimmte der neue Schulleiter zu.
    Dan gestand Owen und mir, daß es ihm dabei kalt den Rücken
runtergelaufen sei.
    »DAS IST DOCH NOCH GAR NICHTS«, meinte
Owen, »WARTEN SIE ERST MAL AB, BIS ER MIT SEINEN ENTSCHEIDUNGEN ANFÄNGT!«
    Toronto, 13.   Mai 1987 – wieder ein herrlicher Tag, sonnig und
kühl; Mrs.   Brocklebank und andere Nachbarn, die gestern dem Löwenzahn zu Leibe
gerückt sind, machen sich heute über ihren [449]  Rasen
her. Überall in der Russell Hill Road und in der Lonsdale Road duftet es frisch
wie auf dem Bauernhof. Ich habe wieder einmal The Globe and
Mail gelesen, aber diesmal konnte ich mich beherrschen; ich habe die
Zeitung nicht wieder mit in die Schule genommen, und ich habe beschlossen, mit niemandem über die amerikanischen Waffenverkäufe an
den Iran und die Weiterleitung des Gewinns aus diesem Geschäft an die Rebellen
in Nicaragua zu diskutieren – und auch nicht über das
Geschenk des Sultans von Brunei, das als Unterstützung für die Rebellen gedacht
war, aber auf das falsche Konto einer Schweizer Bank
transferiert wurde. Ein Zehn-Millionen-Dollar-»Irrtum«! The
Globe and Mail meinte: »Brunei war nur einer der Staaten, an die sich
die Reagan-Regierung bei ihren Bemühungen um Finanzhilfe für die Contras
gewandt hatte, nachdem der Kongreß es untersagt hatte, daß man ihnen noch mehr
Regierungsgelder zur Verfügung stellte.« Doch in meiner Oberstufenklasse las
die obergescheite Claire Clooney den Satz der ganzen Klasse laut vor und fragte
mich dann, ob ich nicht meinte, daß das »ein fürchterlicher Satz« sei.
    Ich habe die Mädchen aufgefordert, in Zeitungen und Zeitschriften
holprig klingende Sätze aufzustöbern und sie zu unser aller Belustigung in den
Unterricht mitzubringen – und dieses doppelte »hatte« und das »daß man ihnen… zur Verfügung stellte« läßt jeden Lehrer, der seinen Schülern beibringen will,
sich ordentlich auszudrücken, die Augen gen Himmel richten –, doch ich wußte
genau, Claire Clooney wollte nur, daß ich wieder mit meinem Lieblingsthema
anfing; ich widerstand der Versuchung.
    Gerade zu dieser Zeit im Frühling sind meine Oberstufenschülerinnen
mit ihren Gedanken immer ganz woanders, und ich brachte ihnen in Erinnerung,
daß wir – gestern – bei unserer Besprechung von Der große
Gatsby in Kapitel 3 nicht weit genug gekommen waren; daß die Stunde mit
einem Wust von Interpretationen von Gatsbys Lächeln, »das einen endgültig
beruhigte [450]  und begütigte«, zu Ende gegangen
war; und daß wir weitere wertvolle Zeit damit verschwendet hatten, uns darüber
klar zu werden, was es bedeutete, daß Jordan Baker »einen gepflegten
Widerwillen gegen konkrete Einzelheiten besaß«. Claire Clooney besaß, wie ich
anfügen könnte, einen so grundsätzlichen Widerwillen
gegen konkrete

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