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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hewlett.
    »Nick«, ergänzte ich ruhig. »Nick Carraway.«
    »Jawohl«, meinte Sandra Darcy. »Aber er soll ja ein Snob sein – das gehört dazu.«
    »Und wenn er sagt, er sei so anständig, daß er ›einer der wenigen
anständigen Menschen‹ sei, die ihm im Leben begegnet sind, dann sollten wir ihm
wohl nicht trauen – nicht so ganz, meine ich«, sagte Claire Clooney. »Ich weiß,
daß er derjenige ist, der die ganze Geschichte erzählt, aber er gehört auch zu
ihnen – er urteilt über sie, aber er ist einer von ihnen.«
    »Das sind schrottige Typen, alle zusammen«, meinte Sandra Darcy.
    »›Schrottig‹?« fragte ich.
    »Sie sind leichtfertige Menschen«,
korrigierte Ruby Newell.
    »Jawohl«, stimmte ich zu. »Das sind sie sicher.« Nicht dumm, meine
Oberstufenschülerinnen. Sie wissen, was sich im Großen
Gatsby abspielt, und sie wissen auch, was man mit Ronald Reagans korrupter
Regierung machen sollte! Aber ich hielt mich [453]  heute
im Unterricht sehr zurück. Ich beschränkte mich in meinen Bemerkungen auf den Großen Gatsby. Ich trug der Klasse auf, in den nächsten
Kapiteln besonders auf Gatsbys Vorstellung zu achten, er könne die
Vergangenheit wiederholen, auf seine Bemerkung über Daisy – »ihre Stimme klingt
nach Geld« – und darauf, wie oft er im Mondlicht auftritt (einmal, am Ende von
Kapitel 7, bei einer »Nachtwache über dem baren Nichts«). Ich bat sie, sich ein
paar Gedanken über die schicksalhaften Ereignisse an Nicks dreißigstem
Geburtstag zu machen; über die Bedeutung des Satzes: »Vor mir lag
zukunftsträchtig und drohend ein neues Jahrzehnt meines Lebens.« Das dürfte
meinen Mädchen genauso viel Schwierigkeiten bereiten wie die Bedeutung des
»gepflegten Widerwillens gegen konkrete Einzelheiten«.
    »Und denkt daran, was Ruby gesagt hat!« legte ich ihnen ans Herz.
»Sie sind sehr ›leichtfertige‹ Menschen.« Ruby Newell lächelte; ›leichtfertig‹
ist das Wort, mit dem Fitzgerald selbst diese Charaktere beschreibt; Ruby war
klar, daß ich wußte, daß sie den Roman schon bis zum Ende gelesen hatte.
    »Sie waren eben leichtfertige Menschen«, heißt es in dem Buch, »sie
zerschlugen gedankenlos, was ihnen unter die Finger kam, totes und lebendiges
Inventar, und zogen sich dann einfach zurück auf ihren Mammon oder ihre
grenzenlose Nonchalance oder was immer das gemeinsame Band sein mochte, das sie
so unverbrüchlich zusammenhielt, und überließen es anderen, den Aufwasch zu
besorgen…«
    Die Reagan-Regierung ist voll von solchen »leichtfertigen Menschen«;
ihre Art von Leichtfertigkeit ist unmoralisch. Und Präsident Reagan bezeichnet
sich selbst als Christ! Wie kann er es wagen? Was für Leute heutzutage
behaupten, sie stünden in Verbindung mit Gott… es sind so viele, daß sie einen wirklichen Christen zum Wahnsinn treiben können! Und diese
Televangelisten, die für Geld Wunder vollbringen? Oh, das ist ein Geschäft, in
dem viel Geld steckt: Schwachköpfen das Evangelium auslegen – [454]  bzw. sich das Evangelium von Schwachköpfen
auslegen lassen, und manche dieser Evangelisten sind so bigott, daß sie sich
auf sexuelle Unternehmungen einlassen, für die sich sogar Exsenator Hart
schämen würde. Vielleicht hat der arme Gary Hart nur seine wahre Berufung nicht
erkannt, oder sind sie einfach alle gleich – die Präsidentschaftskandidaten und
die Evangelisten, wenn sie in einer peinlichen Situation erwischt werden? Auch
Präsident Reagan wurde in einer peinlichen Situation erwischt – doch seine
moralische Entrüstung scheint das amerikanische Volk ausschließlich sexuellen
Fehltritten vorzubehalten. Wie war das doch, als das Land in Vietnam Selbstmord
beging? Zu Hause empörte man sich darüber, wie lang und schmuddelig die Haare der Kriegsgegner waren!
    Im Lehrerzimmer fragte mich Evelyn Barber, die wie ich Englisch
unterrichtet, nach meiner Meinung zu dem Artikel über die Hilfe für die Contras
in The Globe and Mail. Ich sagte, meiner Meinung nach
lege die Reagan-Regierung einen »gepflegten Widerwillen gegen konkrete
Einzelheiten« an den Tag. Das brachte mir ein paar Lacher von meinen Kollegen
ein, die eigentlich damit gerechnet hatten, daß ich eine Haßtirade loslassen
würde; einerseits beschweren sie sich, meine politischen Ansichten seien so
vorhersagbar, andererseits sind sie aber genau wie die Schülerinnen – es macht
ihnen Spaß, mich in Fahrt zu bringen. Ich habe zwanzig Jahre damit verbracht,
Teenager zu unterrichten; ich weiß nicht, ob

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