Owen Meany
Meinung nach) eine bessere Schule benötigten; er
hatte eine eröffnet, aus dem Stand, und die Schule war durchaus ein Erfolg in
Lake Forest geworden. Jetzt waren Whites Kinder am College, und White sah sich
nach einer »größeren Herausforderung in der Lehrbranche« um. In Lake Forest
konnte er nicht mit »Traditionen« arbeiten; White sagte von sich, ihm behage
die Vorstellung, »frischen Wind in alte Traditionen« zu bringen.
Randy White kleidete sich wie ein Manager; er wirkte überaus
schnittig neben der eher verkrumpelten und faltigen Erscheinung des alten
Archie Thorndike. White hatte einen stahlgrauen Nadelstreifenanzug und ein
adrettes weißes Hemd an; er trug eine dünne, goldene Kragennadel, die die
beiden ungewöhnlich engstehenden Spitzen seines Kragens ein wenig zu nahe [446] aneinanderzog – außerdem drückte die Nadel den
perfekt sitzenden, engen Knoten seiner Krawatte ein wenig zu stark nach vorn.
Er legte eine Hand auf Owen Meanys Kopf und wuschelte in seinem Haar; vor dem
berühmten Krippenspiel 1953 hatte Barb Wiggin das bei Owen gelegentlich
gemacht.
»Ich werde mit Owen reden, nachdem ich an
diese Schule berufen bin!« sagte White zum alten Thorny. Er lächelte
selbstzufrieden. »Ich weiß ohnehin, was Owen will«, fügte er hinzu; er
blinzelte Owen zu. »Jemanden, der ›sich in erster Linie um die Schüler sorgt,
erst danach ums Geld‹ – war es nicht so?« Owen nickte, brachte jedoch keinen
Ton heraus. »Nun, ich werde dir sagen, was ein Schulleiter ist, Owen – er trifft Entscheidungen. Er sorgt sich um die Schüler und ums Geld, aber – in erster Linie – trifft er
Entscheidungen.« Dann sah Randy White auf die Uhr; er schob den alten Thorny
zurück in das Büro des Direktors. »Vergessen Sie nicht, daß ich die Maschine
noch kriegen muß«, sagte White. »Jetzt auf zu den Fachgruppenleitern.« Und
gerade bevor der alte Archie Thorndike seine Bürotür schloß, hörte Owen, was
White sagte; Owens Meinung nach sollte er es auch
hören. »Hoffentlich wächst dieses Kind noch«, sagte
Randy White. Dann fiel die Bürotür zu; ›Die Stimme‹ war sprachlos; der Bewerber
hatte nicht ein Wort von Owen Meany zu hören bekommen.
Natürlich sah der Geist der Zukunft es kommen; manchmal glaube ich,
Owen sah alles kommen. Ich erinnere mich daran, wie er vorhersagte, daß man
sich für Randolph White entscheiden würde. Für The Grave betitelte Owen seinen Beitrag mit »DER
WEISSMACHER«. Er begann: »DIE
AUSSCHUSSMITGLIEDER MÖGEN GESCHÄFTSLEUTE – SIE SIND GESCHÄFTSLEUTE ! DER LEHRKÖRPER BESTEHT AUS EINEM HAUFEN TYPISCHER PAUKER – UNENTSCHLOSSEN, WISCHI-WASCHI, SIE SAGEN IMMER ›AUF DER ANDEREN SEITE JEDOCH…‹
UND NUN KOMMT DIESER MENSCH UND SAGT, SEINE SPEZIALITÄT SEI ES, ENTSCHEIDUNGEN
ZU TREFFEN. WENN ER DAMIT MAL ANFÄNGT, WIRD UNS HÖREN UND [447] SEHEN VERGEHEN – WARTET’S NUR AB, MIT WELCH
BRILLANTEN ENTSCHEIDUNGEN DIESER MENSCH UNS AUFWARTEN WIRD! DOCH IM MOMENT
DENKEN ALLE, JEMANDEN, DER ENTSCHEIDUNGEN TRIFFT, HABEN WIR BITTER NÖTIG. IM
MOMENT RUFT ALLES NACH ENTSCHEIDUNGEN« , schrieb Owen. »WAS DIE ACADEMY WIRKLICH BRAUCHT, IST EIN SCHULLEITER MIT EINEM
AUSGEPRÄGTEN PÄDAGOGISCHEN HINTERGRUND – DER HINTERGRUND VON MR. WHITE IST FLEISCH .« Und es kam noch
mehr, und es kam noch Schlimmeres. Owen regte an, man solle doch einmal einen
Blick auf die Zulassungsanforderungen jener kleinen Privatschule in Lake Forest
werfen; gab es Juden oder Farbige in Mr. Whites Schule? Mr. Early, als Betreuer
der Schülerzeitung, strich diesen Beitrag; bei dem Satz, in dem die Lehrer als
» TYPISCHE PAUKER – UNENTSCHLOSSEN, WISCHI-WASCHI …«
bezeichnet wurden, zückte Mr. Early den Rotstift. Auch Dan Needham war der
Meinung, daß dieser Artikel nicht erscheinen sollte.
»Du kannst nicht andeuten, daß jemand
Rassist oder Antisemit ist, Owen«, sagte Dan zu ihm. »Das mußt du beweisen
können.«
Owen war ob dieser harschen Zurückweisung seines Artikels beleidigt;
doch er nahm Dans Ratschlag ernst. Er redete mit den Schülern, die aus Lake
Forest, Illinois, kamen; er ermunterte sie, ihren Eltern zu schreiben und diese zu drängen, sich über die Zulassungsbedingungen an
Mr. Whites Schule zu informieren. Die Eltern konnten ja so tun, als zögen sie
die Schule für ihre Kinder in Erwägung; sie konnten sogar direkt fragen, ob
ihre Kinder mit Farbigen oder Juden die Schulbank drücken würden. Das Ergebnis – bedauerlicherweise eine Information aus zweiter
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