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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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unter all den Keelings, Gibsons
und Ormsbys, die ihm ihre Verdauungsrückstände anvertrauen – und sich davor
fürchten, daß es irgendwann rebellieren könnte.
    Ich hätte nicht zu den Keelings – oder den Gibsons oder Ormsbys
eingeladen werden wollen, ehe die Kanalisation
installiert war; doch jene Zeiten düsterer Begegnungen mit Spinnen in an die Hauptgebäude
angebauten Toilettenhäuschen und die zahlreichen nächtlichen Schrecken jener
Plumpsklowelt sind weitere beliebte Diskussionsthemen unter den Mitgliedern der
Familien, die sich die Insel jeden Sommer teilen. Ich bekam immer wieder die
Geschichte von Onkel Bulwer Ormsby zu hören, der auf dem – wegen der besseren
Lüftung, wie die Keelings und Gibsons und Ormsbys einhellig beteuerten – türlosen Abort von einer Eule attackiert wurde; Onkel Bulwer wurde während
einer kleinen Pause in seinem höchst intimen Unterfangen in den Kopf gehackt,
und der Angriff der Eule erschreckte ihn derart, daß er den Abtritt fluchtartig
verließ, ohne die Hose hochzuziehen, wobei er sich selbst noch unangenehmere
Verletzungen zufügte, als er sie durch die Eule erlitten hatte, indem er
nämlich kopfvoran gegen eine Kiefer rannte.
    Und jedes Jahr, seit ich zu Besuch auf die Insel komme, entbrennt
ein Disput darüber, was für eine Art Eule es war – oder ob es möglicherweise gar keine Eule gewesen ist. Katherines Mann, Charlie
Keeling, meint, es sei wahrscheinlich eine Pferdebremse oder eine Motte
gewesen. Andere sind der festen Überzeugung, daß es eine Zwergohreule war – die
seien schließlich bekannt dafür, daß sie ihre Nester vehement verteidigen und
dabei sogar Menschen angreifen. Wieder andere meinen, das Verbreitungsgebiet
der Zwergohreulen reiche nicht bis zur Georgian Bay, und es habe sich sicher um
einen Merlin, einen Vertreter einer [585]  Falkenart,
gehandelt; die seien sehr angriffslustig und würden
im Dunkeln oft mit den kleineren Eulen verwechselt.
    Die Gesellschaft von Katherines großer, freundlicher Familie hat
etwas Tröstliches für mich. In den Gesprächen geht es meist um legendäre
Ereignisse auf der Insel – bei denen oft die Tapferkeit oder Feigheit ihrer
Bewohner in der Plumpskloepoche eine Rolle spielt. Auch Begegnungen mit der
Natur sind beliebte Themen; ich verbringe meine Tage hier höchst angenehm
damit, Vogel-, Säugetier-, Fisch- und Reptilienarten sowie, leider,
Insektenarten zu bestimmen – obwohl ich von alldem praktisch keine Ahnung habe.
    War das ein Otter oder ein Nerz oder eine Bisamratte? Und war das da
ein Seetaucher oder eine Meerente? Sticht es oder beißt es oder ist es giftig?
Und dazwischen immer wieder praktischere Dinge betreffende Fragen an die
Kinder. Hast du am Klo ordentlich gespült, das Gas abgestellt, das
Fliegengitter geschlossen, das Wasser laufen lassen (die Pumpe wird von einem
Benzinmotor angetrieben) –, und hast du deine Badehose und das Handtuch zum
Trocknen aufgehängt? Es erinnert mich an die Tage am Loveless Lake – ohne die
qualvollen Bemühungen um das andere Geschlecht. Und im Vergleich zur Georgian
Bay ist der Loveless Lake ein Tümpel. Auch im Sommer 1962 war der Loveless Lake
bereits voller Motorboote – und damals flossen die Abwässer aus vielen
Ferienhäusern noch direkt in den See. Die Begegnung mit der Natur ist in Kanada
ein weitaus schöneres und beeindruckenderes Erlebnis, als es das – zu meiner
Zeit – in New Hampshire jemals gewesen ist. Aber Kiefernharz an den Fingern
fühlt sich überall gleich an; und die Kinder, die den ganzen Tag über nasse
Haare haben und nasse Badehosen und ständig irgendein aufgeschürftes Knie oder
einen Spreißel, und das Geräusch nackter Füße auf dem Holz des Bootsstegs… und
das Gezanke, all das Gezanke. Ich finde es toll; eine Zeitlang ist es äußerst
wohltuend. Ich kann mir beinahe [586]  vorstellen,
ich hätte ein Leben geführt, das ganz anders gewesen wäre als das meine.
    Man erfährt viel Neues durch die dünnen Wände von Ferienhäusern. So
zum Beispiel hörte ich einmal Charlie Keeling zu Katherine sagen, ich sei ein
»nicht praktizierender Homosexueller«.
    »Was soll das denn heißen?« wollte
Katherine wissen.
    Ich hielt die Luft an, bemühte mich, Charlies Antwort zu verstehen – seit Jahren möchte ich gern wissen, was es bedeutet, ein »nicht praktizierender
Homosexueller« zu sein.
    »Du weißt schon, was ich meine«, erwiderte Charlie.
    »Du meinst, daß er’s nicht tut«, erklärte Katherine.
    »Richtig, das meine

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