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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Altersgenossen von Harry aus Gravesend Kontakt auf.
    »Johnny Wheelwright, hör mir gut zu!« sagte sie; sie hatte mich am
Telefon in unserem Haus in der Front Street erwischt; und ich hatte Angst vor
ihr. Selbst meine Großmutter fand, Mrs.   Hoyt täte besser daran, »ein Verhalten
an den Tag zu legen, das einer trauernden Mutter besser ansteht«; doch Mrs.
Hoyt war aufgebracht wie eine Hornisse. Sie hatte Owen im Grabsteinladen eine
Lektion erteilt, als sie einen Grabstein für Harry aussuchte!
    »Ich will kein Kreuz«, sagte sie zu Owen. »Besonders viel genützt
hat ihm der liebe Gott ja nicht gerade!«
    »JA, MA’AM«, sagte Owen Meany.
    »Und ich will auch keine von diesen Steinplatten drauf haben – das
ist typisch fürs Militär, Leuten ein Grab zu machen, auf dem man laufen kann!« sagte Mrs.   Hoyt.
    »ICH VERSTEHE«, sagte Owen zu ihr.
    Dann fuhr sie ihn an, weil er sich beim ROTC verpflichtet hatte; er solle alles dransetzen, einen »Schreibtischjob« zu
ergattern – wenn er klug war.
    »Und ich meine keinen Schreibtischjob in Saigon !«
sagte sie zu ihm. »Untersteh dich und mach bei diesem Völkermord mit! Willst du kleine asiatische Frauen und Kinder
verbrennen?«
    »NEIN, MA’AM!« sagte Owen Meany.
    Zu mir sagte sie: »Sie werden dich nicht zu Ende studieren lassen.
Deinen Abschluß in Englisch kannst du vergessen. Was kümmert sie schon die
englische Sprache? Wo sie sie selber kaum sprechen!«
    [649]  »Ja, Ma’am«, sagte ich.
    »Sowie du einen Abschluß hast, kannst du dich nicht länger an der
Universität verstecken – glaub mir, es wird nicht klappen«, sagte Mrs.   Hoyt.
»Und solange du nicht irgendeinen Defekt hast – ich meine einen körperlichen – wirst du in einem Reisfeld sterben. Fehlt dir nicht irgendwas körperlich?«
fragte sie mich.
    »Nicht daß ich wüßte, Ma’am«, antwortete ich.
    »Dann solltest du dir was einfallen lassen«, riet mir Mrs.   Hoyt.
»Ich kenne einen Psychiater; der könnte mit dir üben – er kann dich so
hinkriegen, daß du verrückt wirkst. Aber das ist riskant, und du mußt jetzt
schon damit anfangen – du brauchst Zeit, um eine Geschichte zu entwickeln, wenn
du jemanden davon überzeugen willst, daß du verrückt bist. Es reicht nicht,
sich am Abend vor der Musterung einfach zu betrinken und sich Hundescheiße ins
Haar zu schmieren – wenn du keine Krankengeschichte entwickelt hast, brauchst du es gar nicht erst zu versuchen.«
    Doch genau das hatte Buzzy Thurston probiert, und es hatte geklappt – ein bißchen zu gut sogar. Seine »Geschichte« umfaßte zwei Wochen, keinen Tag
mehr; doch selbst in dieser kurzen Zeit schaffte er es, sich so mit Alkohol und
Drogen vollzustopfen, daß sein Körper diese Art Mißbrauch zu mögen begann. Für Mrs.   Hoyt war Buzzy ebenso ein Opfer des Krieges wie
Harry; auch Buzzy würde sich schließlich umbringen, nur um nicht nach Vietnam
gehen zu müssen.
    »Hast du schon mal an das Peace Corps gedacht?« fragte mich Mrs.   Hoyt. Sie sagte, einen jungen Mann – der auch Englisch
studierte – hätte sie schon dazu gebracht, sich beim Peace
Corps zu melden. Er war als Englischlehrer in Tansania angenommen
worden. Leider, gab sie zu, hatte Rotchina im Sommer 1965 an die vierhundert
»Berater« nach Tansania geschickt; natürlich hatte sich das Peace Corps daraufhin eilig zurückgezogen. »Denk mal drüber nach«, sagte
Mrs.   Hoyt zu mir, »selbst Tansania ist besser als
Vietnam!«
    [650]  Ich sagte ihr, ich würde darüber
nachdenken; doch ich fand, ich hatte noch viel Zeit! Man muß es sich so vorstellen:
da ist einer im letzten Jahr an der Uni und noch Jungfrau – soll der etwa
jemandem glauben, der ihm erzählt, er müsse sich zwischen Vietnam und Tansania
entscheiden?
    »Du tätest besser dran, ihr zu glauben«, sagte Hester.
    Das war 1966, im Februar – als der Senatsausschuß für Außenpolitik
mit den Anhörungen begann, die wir im Fernsehen mitverfolgten.
    »Ich glaube, du redest am besten mal mit Mrs.   Hoyt«, sagte meine
Großmutter zu mir. »Ich will nicht, daß einer meiner Enkel da hineingezogen
wird.«
    »Hör mal, John«, meinte Dan Needham. »In diesem Falle solltest du nicht tun, was Owen tut. Dieses Mal macht Owen einen
Fehler.«
    Ich erzählte Dan, daß ich befürchtete, ich könne Owens Wunsch, zu
einer »Kampftruppe« zu kommen, sabotiert haben; ich gestand, daß ich Colonel
Eiger gesagt hatte, Owens »emotionale Stabilität« sei fraglich und daß ich ihm
zugestimmt hatte,

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