Owen Meany
›BUSTER‹ GEHÖRT«, sagte Owen Meany. »UND DIE ALTERSHEIME GEBEN KEINE NAMENSLISTEN RAUS – WEISST DU,
WARUM NICHT?«
»Warum nicht?« fragte ich.
»WEIL EINBRECHER SO RAUSKRIEGEN KÖNNTEN, WER NICHT
MEHR ZU HAUSE WOHNT. WENN DER NAME NOCH IMMER IM TELEFONBUCH STEHT – UND WENN
NIEMAND ANDERS IN DAS HAUS ODER DIE WOHNUNG EINGEZOGEN IST, DANN HABEN DIE
EINBRECHER LEICHTES SPIEL: KEINER ZUHAUSE. UND DESWEGEN GEBEN DIE ALTERSHEIME
KEINE NAMEN RAUS«, erklärte er. »INTERESSANT,
WAS? WENN ES STIMMT«, fügte er hinzu.
»Da hast du dich ja ganz schön reingehängt«, meinte ich; er zuckte
mit den Schultern.
»UND IN DEN GELBEN SEITEN – DIE LOKALE, DIE
›LIVE-MUSIK‹ ANBIETEN«, fuhr er fort, »IN KEINEM VON
DIESEN LOKALEN IN GANZ BOSTON HAT EINER JE ETWAS VON EINEM BIG BLACK BUSTER
FREEBODY GEHÖRT! DAS GANZE IST SCHON SO LANGE HER, BUSTER FREEBODY IST BESTIMMT
LÄNGST TOT.«
»Deine Telefonrechnung möcht ich nicht sehen«, meinte ich.
»ICH HAB VON HESTER AUS TELEFONIERT.«
»Mich wundert’s, daß sie dich dafür nicht
windelweich geklopft hat«, sagte ich.
»OH, DAS HAT SIE «, gab Owen zurück und
drehte den Kopf aus dem Lichtschein des Fernsehers. » ICH HAB IHR
NICHT GESAGT, WEN ICH ANGERUFEN HAB, UND SIE GLAUBTE, ICH HÄTTE EINE ANDERE
FREUNDIN.«
[666] »Und warum hast du nicht
eine andere Freundin?« fragte ich ihn; wieder zuckte er mit den Schultern.
»SIE SCHLÄGT MICH JA NICHT DIE GANZE ZEIT«, meinte er.
Was sollte ich dazu sagen? Ich hatte überhaupt keine Freundin.
»Wir sollten über unseren Urlaub nachdenken«, schlug ich vor. »Wir
haben vier Wochen Zeit – wohin würdest du gern fahren?«
»IRGENDWOHIN , WO ES WARM IST «, sagte Owen
Meany.
»Es ist überall warm im Juni«, meinte ich.
»ICH WÜRDE GERN DAHIN FAHREN, WO ES PALMEN GIBT«, sagte
Owen.
Eine Zeitlang sahen wir uns Moon over Miami schweigend an.
»Wir könnten nach Florida fahren«, schlug ich vor.
»NICHT IN MEINEM TRANSPORTER«, sagte
er. »DER SCHAFFT ES NICHT BIS NACH FLORIDA.«
»Wir könnten mit meinem Käfer fahren«, sagte ich. »Mit dem kämen wir
bis nach Kalifornien – kein Problem.«
»ABER WO SCHLAFEN WIR DANN?« fragte
Owen. ȆBERNACHTUNGEN IM HOTEL KANN ICH MIR NICHT
LEISTEN.«
»Großmutter würde uns bestimmt Geld leihen«, meinte ich.
»ICH HAB SCHON GENUG GELD VON DEINER GROSSMUTTER
BEKOMMEN «, wehrte er ab.
»Dann kann ich dir ja welches leihen«,
schlug ich vor.
»ES IST DAS GLEICHE GELD «, sagte er.
»Wir könnten ein Zelt mitnehmen – und Schlafsäcke«, meinte ich. »Wir
könnten ja campen.«
»DARAN HAB ICH AUCH SCHON GEDACHT. WENN WIR VIEL
CAMPINGZEUG MITNEHMEN, DANN WÄRE DER TRANSPORTER BESSER – ABER DER WÜRDE AUF
EINER SO LANGEN STRECKE SCHLAPPMACHEN.«
Gab es etwas, woran Owen Meany nicht schon gedacht hatte, ehe ich
daran dachte? überlegte ich.
»WIR MÜSSEN JA NICHT UNBEDINGT IRGENDWOHIN, WO ES
PALMEN GIBT – DAS WAR NUR SO EINE IDEE«, sagte Owen.
[667] Wir waren nicht in der
richtigen Stimmung für Moon over Miami; um einen Film
über die Jagd nach Ehemännern anzusehen, muß man in der richtigen Stimmung
sein. Owen ging hinaus zu seinem Transporter und holte eine Taschenlampe; dann
gingen wir die Front Street hinunter und bogen in die Linden Street ein – an
der Gravesend High School vorbei und zum Friedhof. Es war noch warm und noch
nicht sehr dunkel. Im Vergleich zu den anderen sah das Grab meiner Mutter recht
gepflegt aus. Großmutter hatte eine Reihe Krokusse, Narzissen und Tulpen
gepflanzt, so daß schon im Frühling etwas Farbe da war; und Großmutters
Händchen für Rosen zeigte sich an dem gepflegten Rosenbusch, der sich fest um
das Gitter rankte, das wie ein bequemes Kopfteil direkt hinter dem Gab meiner
Mutter stand. Owen ließ den Lichtkegel über die geschliffenen Kanten des
Grabsteins wandern; ich hatte schon bessere Arbeiten mit der
Diamanttrennscheibe gesehen – Owen konnte viel, viel besser damit umgehen.
Natürlich wußte ich, daß Owen damals noch nicht alt genug gewesen war, um den
Grabstein meiner Mutter anzufertigen.
»MEIN VATER WAR NOCH NIE EIN EXPERTE MIT DER
TRENNSCHEIBE«, bemerkte Owen.
Dan Needham hatte kürzlich ein frisches Bukett Frühlingsblumen vor
den Grabstein gestellt, doch Owen und ich konnten dennoch die Buchstaben lesen,
die den Namen meiner Mutter ergaben – und die dazugehörigen Daten.
»Wenn sie noch lebte, wäre sie jetzt dreiundvierzig«, meinte ich.
»Stell dir das mal vor.«
»SIE WÄRE AUCH HEUTE
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