Owen Meany
NOCH SEHR SCHÖN«, entgegnete
Owen Meany.
Auf dem Rückweg durch die Linden Street überlegte ich, daß wir auch
»rüber in den Osten« fahren könnten, wie man in New Hampshire sagt – womit die
Küste von Maine bis nach Nova Scotia gemeint ist.
»Würde es dein Transporter bis nach Nova Scotia schaffen?« [668] fragte ich Owen. »Wenn wir uns Zeit lassen und
die Küste von Maine abfahren – schön gemütlich, es kommt ja nicht drauf an,
wann wir in Nova Scotia ankommen, es kommt nicht mal drauf an, ob wir überhaupt so weit kommen – meinst du, er würde es
schaffen?«
»DARÜBER HAB ICH AUCH SCHON NACHGEDACHT«, sagte
er. »JA, ICH GLAUB, DAS KÖNNTEN WIR MACHEN – WENN WIR
NICHT ZU LANGE STRECKEN AN EINEM TAG FAHREN. MIT DEM TRANSPORTER KÖNNTEN WIR
DIE GANZE CAMPINGAUSRÜSTUNG MITNEHMEN – WIR KÖNNTEN SOGAR DAS ZELT HINTEN AUF
DER LADEFLÄCHE AUFBAUEN, WENN WIR SONST KEINEN TROCKENEN ODER EBENEN PLATZ
FINDEN…«
»Das wär doch toll!« sagte ich. »Ich war noch nie in Nova Scotia – ich bin noch nicht mal sehr weit nach Maine vorgedrungen.«
In der Front Street blieben wir stehen und streichelten eine Katze.
»ICH HAB AUCH AN SAWYER DEPOT GEDACHT«, sagte
Owen Meany.
»Und woran genau hast du da gedacht?« wollte ich wissen.
»TJA, ICH WAR NOCH NIE DA«, meinte er.
»Es ist eigentlich nicht sonderlich interessant in Sawyer Depot«,
sagte ich vorsichtig. Ich glaubte nicht, daß Tante Martha und Onkel Alfred Owen
Meany mit offenen Armen in ihrem Haus empfangen würden; und nach dem, was
gerade bei Hester vorgefallen war, fragte ich mich, was Owen an Sawyer Depot
wohl noch reizte.
»ICH WÜRDE ES EINFACH GERN MAL SEHEN«, meinte
er. »ICH HAB SO VIEL DAVON GEHÖRT. SELBST WENN DIE
EASTMANS MICH NICHT INS HAUS LASSEN WÜRDEN, KÖNNTEST DU MIR JA DEN LOVELESS
LAKE ZEIGEN – UND DAS BOOTSHAUS UND VIELLEICHT AUCH DEN BERG, WO IHR IMMER
SKIGELAUFEN SEID, UND FIREWATER!«
»Firewater ist doch schon ewig tot!« sagte ich ihm.
[669] »OH.«
Die Einfahrt zum Haus meiner Großmutter sah aus wie ein Parkplatz.
Großmutters alter Cadillac stand da, und mein Käfer, der tomatenrote
Kleintransporter, und ganz hinten stand Hesters Chevy aus x-ter Hand.
Sie mußte nach Owen gesucht haben, und als sie den Transporter in
unserer Einfahrt stehen sah, mußte sie ins Haus gegangen sein, um ihn zu
suchen. Als wir zurückkamen, fanden wir sie schlafend auf dem Sofa; das einzige
Licht, das auf sie fiel, war der scheußliche, bleiche Schein des Fernsehers,
den sie auf ein anderes Programm eingestellt hatte – offensichtlich war auch
Hester nicht in der richtigen Stimmung für Moon over Miami gewesen. Sie war über der Duchess of Idaho eingeschlafen.
»HESTER KANN ESTHER WILLIAMS NICHT AUSSTEHEN, ES SEI
DENN, ESTHER IST UNTER WASSER «, meinte Owen Meany. Er setzte sich
neben Hester aufs Sofa; er berührte erst ihr Haar, dann ihre Wange. Ich
schaltete auf ein anderes Programm um; es gab nie nur einen Spätfilm – die Zeiten waren vorbei. Moon over Miami war
zu Ende, und danach hatte der sogenannte Zweite Spätfilm angefangen – John
Wayne in Operation Pacific.
»HESTER KANN JOHN WAYNE NICHT AUSSTEHEN«, sagte
Owen, und Hester wachte auf.
John Wayne war in einem U -Boot
im Zweiten Weltkrieg; er bekämpfte die Japaner.
»Einen Kriegsfilm seh ich mir nicht an«, sagte Hester; sie schaltete
die Lampe auf dem Beistelltisch neben dem Sofa ein und sah sich die Stiche in
Owens Lippen genauer an. »Wie viele?« wollte sie wissen.
»VIER «, sagte er.
Sie küßte ihn zart auf die Oberlippe und auf die Nasenspitze und auf
die Mundwinkel – achtete sorgfältig darauf, nicht an die Nähte zu kommen. »Es
tut mir leid! Ich liebe dich!« flüsterte sie ihm zu.
[670] »ES TUT NICHT
WEH «, sagte Owen Meany.
Ich suchte die Kanäle durch, bis ich etwas Interessantes gefunden
hatte – einen Sherlock Holmes-Film mit Basil Rathbone.
»Ich weiß nicht mehr, ob ich den schon gesehen hab«, sagte Hester.
»Ich weiß, daß ich ihn schon mal gesehen hab, aber ich kann mich
nicht mehr dran erinnern«, meinte ich.
»ES IST DER MIT DEN JUWELEN IM ZUG – DER IST NICHT
SCHLECHT «, sagte Owen Meany. Er rollte sich neben Hester auf dem
Sofa zusammen; er legte den Kopf an ihre Brust, und sie nahm ihn in die Arme.
Nach ein paar Minuten war er fest eingeschlafen.
»Mach ein bißchen leiser«, flüsterte Hester mir zu. Als ich sie
ansah – um festzustellen, ob ich leise genug gedreht hatte – weinte sie.
»Ich glaub, ich geh
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