Owen Meany
abgestiegen, um das Fahrrad neben sich herzuschieben. Ohne
hinzuschauen wußte er, daß wir es waren, doch er hielt nicht an – also fuhr
meine Mutter langsam neben ihm, und ich kurbelte das Seitenfenster herunter.
»ES WAR EIN UNGLÜCKLICHER ZUFALL, ICH WAR EINFACH ZU
AUFGEREGT, UND ICH HAB ZUVIEL ORANGENSAFT ZUM FRÜHSTÜCK GETRUNKEN – UND ICH
KANN ES NUN MAL NICHT LEIDEN, WENN MAN MICH KITZELT«, sagte Owen. »DAS MIT DEM KITZELN WAR NICHT ABGEMACHT.«
[114] »Geh doch nicht nach Hause,
Owen, bitte«, sagte meine Mutter.
»Ist ja alles in Ordnung«, sagte ich. »Es tut ihnen sehr leid.«
»ICH HAB AUF HESTER GEPINKELT !« sagte
Owen, » UND ZUHAUSE KRIEG ICH ÄRGER «, fuhr er
fort – während er recht zügig mit seinem Fahrrad weiterging. » MEIN VATER WIRD BEI SO WAS IMMER STINKSAUER. ER SAGT, ICH BIN KEIN
KLEINKIND MEHR, ABER MANCHMAL BIN ICH EINFACH ZU AUFGEREGT.«
»Owen, ich kann deine Kleider ja bei uns zu Hause waschen und trocknen«, schlug meine Mutter vor. »Du kannst was von
Johnny anziehen, bis deine Sachen wieder trocken sind.«
»JOHNNYS SACHEN PASSEN MIR DOCH GAR NICHT«, gab
er zurück. »UND AUSSERDEM MUSS ICH IN DIE BADEWANNE.«
»Du kannst bei uns baden, Owen«, sagte ich. »Komm doch mit zurück.«
»Ich hab noch ein paar Sachen, aus denen Johnny schon rausgewachsen
ist, davon wird dir sicher was passen, Owen«, sagte meine Mutter.
»VERMUTLICH BABYSACHEN «, sagte Owen,
doch er blieb stehen; er ließ den Kopf auf die Lenkstange sinken.
»Steig doch endlich ein, Owen«, bat meine Mutter. Ich stieg aus und
half ihm, das Fahrrad in den Kofferraum zu packen, und dann schlüpfte er ins
Auto, setzte sich vorne zwischen meine Mutter und mich.
»ICH WOLLTE EINEN GUTEN EINDRUCK MACHEN, WEIL ICH
NACH SAWYER DEPOT WOLLTE«, sagte er. »JETZT WERD
ICH WOHL NIE MITKOMMEN DÜRFEN.«
Ich fand es unglaublich, daß er immer noch dorthin wollte, doch
meine Mutter versicherte ihm: »Owen, du kannst jederzeit mit uns nach Sawyer
Depot kommen.«
»JOHNNY WILL NICHT, DASS ICH MITKOMME «,
erwiderte er – als säße ich nicht mit im Auto.
»Das ist es nicht, Owen«, versuchte ich zu erklären. »Ich dachte [115] nur, daß die drei ein bißchen viel für dich
würden.« Und angesichts der Tatsache, daß er in die Hosen gemacht hatte – das
sagte ich allerdings nicht – schien es mir, daß die
drei wirklich ein bißchen viel für ihn waren. »Das war noch ein sehr sanftes
Spiel, weißt du«, fügte ich hinzu.
»MEINST DU, ES STÖRT MICH, WAS SIE MIT MIR MACHEN?« platzte
er heraus; wild stampfte er mit seinem kleinen Fuß auf den Kardantunnel.
»MEINST DU, ES STÖRT MICH, WENN SIE EINE LAWINE MIT
MIR AUSLÖSEN?« schrie er. » WO KOMM ICH DENN SCHON MAL HIN? WENN ICH NICHT IN DIE
SCHULE ODER IN DIE KIRCHE ODER ZU EUCH GEHEN WÜRDE, DANN KÄME ICH NIE VON ZU
HAUSE WEG!« heulte er. »WENN DEINE
MUTTER MICH NICHT ZUM STRAND MITNEHMEN WÜRDE, DANN KÄME ICH NIE AUS DER STADT.
UND ICH WAR NOCH NIE IN DEN BERGEN«, sagte er. »ICH BIN NOCH NIE MIT DEM ZUG GEFAHREN! MEINST DU NICHT, DASS ES
MIR VIELLEICHT GEFALLEN WÜRDE, MIT DEM ZUG ZU FAHREN – IN DIE BERGE?« brüllte
er.
Meine Mutter hielt an und umarmte ihn, küßte ihn und sagte, er könne
immer gern mit uns kommen, überallhin; und auch ich legte ziemlich unbeholfen
meinen Arm um ihn, und so blieben wir im Auto sitzen, bis er sich so weit
beruhigt hatte, daß wir in die Front Street zurückkehren konnten, wo er durch
die Hintertür hineinmarschierte, an Lydias Zimmer und der Küche, in der die
Hausmädchen herumhantierten, vorbei, die hintere Treppe hinauf, an den Zimmern
der beiden Hausmädchen vorbei, durch mein Zimmer und in mein Bad, wo er die Tür
hinter sich schloß und die Badewanne vollaufen ließ. Er reichte mir seine
nassen Kleider heraus, und ich brachte sie nach unten zu den Hausmädchen, die
sich sogleich an die Arbeit machten. Meine Mutter klopfte an die Badezimmertür
und streckte ihm mit abgewandtem Gesicht den Arm hin, reichte ihm eine Ladung
abgetragener Kleider – es waren keine Babysachen, wie [116] Owen
befürchtet hatte, sondern einfach nur besonders kleine Sachen.
»Und was machen wir jetzt mit ihm?« fragte Hester, während wir
darauf warteten, daß Owen zu uns hoch in den »Hobbyraum« kam – so hatte das
Zimmer geheißen, als mein Großvater noch lebte; wenn Noah, Simon und Hester
mich besuchten, war es ein weiteres Kinderzimmer.
»Wir machen, was er will«, meinte Noah.
»Das haben wir beim letzten Spiel
Weitere Kostenlose Bücher