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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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auch gemacht!« warf Simon ein.
    »Nicht ganz«, sagte Hester.
    »ALSO, ICH HAB MIR ÜBERLEGT «, sagte
Owen, als er in den Hobbyraum kam – das Gesicht noch rosiger als sonst; er war
blitzsauber und hatte sich die nassen Haare aus dem Gesicht gekämmt. Ohne
Schuhe, nur in Socken, rutschte er ein wenig auf dem Holzboden; und als er den
alten Orient-Teppich erreicht hatte, blieb er, einen Fuß auf den anderen
gesetzt, stehen und schaukelte mit den Hüften vor und zurück, während er sprach – und seine Hände flatterten wie Schmetterlinge zwischen Schultern und Hüften
auf und ab: » ES TUT MIR LEID, DASS ICH MICH ZU SEHR AUFGEREGT HAB.
ICH GLAUB, ICH WEISS EIN SPIEL, BEI DEM ICH MICH NICHT SO AUFREGE, DAS ABER
TROTZDEM FÜR EUCH NICHT LANGWEILIG IST«, sagte er. »WIE WÄR’S, WENN EINER VON EUCH MICH VERSTECKT – IRGENDWO – UND DIE
ANDERN MÜSSEN MICH SUCHEN. UND WER MICH SO VERSTECKT, DASS DIE ANDEREN AM LÄNGSTEN
BRAUCHEN, BIS SIE MICH GEFUNDEN HABEN – DER HAT DANN GEWONNEN. ES IST JA GANZ
EINFACH, PLÄTZE IM HAUS ZU FINDEN, WO IHR MICH VERSTECKEN KÖNNT – DENN DAS HAUS
IST GROSS UND ICH BIN KLEIN«, fügte er hinzu.
    »Ich bin zuerst dran«, sagte Hester. »Ich versteck ihn als erster.«
Niemand widersprach ihr; wo immer sie ihn auch versteckte, wir fanden ihn
nicht. Noah, Simon und ich – wir dachten, es sei ganz einfach, ihn zu finden.
Ich kannte jeden Winkel in [117]  Großmutters
Haus, und Noah und Simon wußten sehr genau über Hesters teuflische
Gedankengänge Bescheid; doch wir konnten ihn nicht finden. Hester räkelte sich
auf der Couch im Hobbyraum, blätterte in alten Ausgaben von Life herum und wurde zusehends zufriedener, während wir suchten und
suchten, bis es langsam dunkel wurde; ich teilte Hester sogar meine Besorgnis
mit, daß sie ihn irgendwo versteckt haben könnte, wo er vielleicht keine Luft
mehr bekam, oder – als Stunde um Stunde verstrich – wo er schlimme Krämpfe
bekommen würde, weil er so lange in einer unbequemen Position ausharren mußte.
Doch Hester tat diese Besorgnis mit einer Handbewegung ab, und als das Abendessen
fertig war, mußten wir aufgeben; Hester ließ uns nach unten in den Flur
vorgehen und holte Owen, der ganz fröhlich dreinblickte, weder humpelte noch
Atemschwierigkeiten hatte – obwohl sein Haar völlig verwuschelt war. Er blieb
zum Essen, und danach meinte er zu mir, er hätte auch nichts dagegen, über
Nacht zu bleiben – meine Mutter hatte ihm gesagt, er könne gerne hierbleiben,
denn (so sagte sie) seine Kleider seien noch nicht ganz trocken.
    Und obwohl ich ihn fragte – »Wo hat sie dich versteckt? Gib mir doch
einen Tip! Sag mir, in welchem Teil vom Haus, sag mir doch wenigstens, in
welchem Stock !« – verriet er es nicht. Er war
hellwach, hatte überhaupt keine Lust zu schlafen, und ging mir mit seinem
philosophischen Gefasel über den wahren Charakter meiner Verwandten, die ich
ihm, wie er meinte, gänzlich falsch beschrieben hätte, gewaltig auf die Nerven.
    »DU HAST SIE WIRKLICH FALSCH EINGESCHÄTZT«, belehrte
    er mich. »VIELLEICHT IST DAS, WAS DU IHRE WILDHEIT NENNST, EINFACH NUR DAS
FEHLEN EINER RICHTUNG. WEISST DU, JEDE GRUPPE BRAUCHT
EINEN, DER SIE LEITET .« Ich lag da und freute mich schon darauf,
daß er mit nach Sawyer Depot kam, und dann würden Noah und Simon ihn auf Skier
stellen und ihn einfach bergab rasen lassen; dann würde er vielleicht mit seinen
Sprüchen [118]  aufhören, er könne eine
angemessene »Richtung« angeben. Doch er war nicht zu bremsen; er redete und
redete.
    Ich wurde müde und drehte ihm den Rücken zu; deshalb war ich etwas
verwirrt, als ich ihn sagen hörte: » WENN MAN SICH
MAL DRAN GEWÖHNT HAT, KANN MAN GAR NICHT MEHR OHNE ES EINSCHLAFEN – FINDEST DU
NICHT AUCH?«
    »Ohne was?« fragte ich. »Wenn man sich woran gewöhnt hat?«
    »AN DAS GÜRTELTIER«, meinte er.
    Und dieser Tag nach Thanksgiving, als Owen meine Verwandten
kennenlernte, vermittelte mir – besonders in der Nacht, in der ich
einzuschlafen versuchte, nachdem dieser Fehlschlag meine Mutter getötet hatte – zwei sehr nachdrückliche Bilder von Owen. Ich lag im Bett und wußte, daß auch
Owen an meine Mutter dachte, und daß er nicht nur an mich dachte, sondern auch
an Dan Needham – daran, wie sehr wir beide meine Mutter vermissen würden –, und
wenn Owen an Dan dachte, das wußte ich, dann dachte er auch an das Gürteltier.
    Und auch das war wichtig: der Tag, als meine Mutter und ich Owen mit
dem Auto suchten – als ich

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