Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Ich hatte Dans Hilfe
gebraucht, [123]  um zu verstehen, daß ich Owen
die Baseballkarten zurückgeben sollte. Und wenn Owen nun meinte, er solle das
Gürteltier behalten ?
    »Johnny, das Wichtigste ist«, sagte Dan Needham, »daß du Owen
zeigst, daß du ihn so gern hast, daß du ihm alles anvertraust – daß es dir egal ist, ob du es zurückbekommst oder nicht. Es muß
etwas sein, von dem er weiß, daß du es zurückhaben
willst. Deshalb ist es etwas Besonderes.«
    »Und wenn ich ihm das Gürteltier gebe?« sagte ich. »Und wenn er es
behält?«
    Dan Needham setzte sich auf die vordere Stoßstange des Autos. Es war
ein Buick Kombi, dunkelgrün, mit echten Holzleisten an den Seiten und an der
Heckklappe, und mit einem Kühlergrill, der aussah wie der weite aufgerissene
Schlund eines gefräßigen Fischs; und so, wie Dan jetzt dasaß, sah es aus, als
würde der Buick ihn gleich verschlingen – und Dan wirkte so müde, daß er sich
wohl ohne große Gegenwehr hätte verschlingen lassen. Ich bin sicher, daß er die
ganze Nacht geweint hatte, wie ich –, doch im Gegensatz zu mir hatte er
wahrscheinlich auch die ganze Nacht getrunken. Er sah furchtbar aus. Doch sehr
geduldig und sehr vorsichtig sagte er: »Johnny, es wäre eine Ehre für mich,
wenn etwas, das ich dir gegeben habe, für etwas Wichtiges benutzt werden könnte – wenn es einen ganz besonderen Zweck erfüllen würde, dann wäre ich sehr
stolz.«
    Und da begann ich zum erstenmal darüber nachzudenken, daß gewisse
Ereignisse oder Dinge »wichtig« sind und »einen besonderen Zweck« erfüllen. Bis
dahin hätte ich den Gedanken, etwas könne einen bestimmten, ja sogar einen
besonderen Zweck haben, als Quatsch abgetan. Damals war ich nicht, was man
gemeinhin gläubig nennt, doch heute bin ich es; ich glaube an Gott, und ich glaube
an den »besonderen Zweck« gewisser Ereignisse oder Dinge. Ich beachte alle
hohen Kirchenfeiertage. Es war an einem solchen Kirchenfeiertag, erst kürzlich,
als ich einen Grund hatte, [124]  an Owen Meany zu
denken – es war am 25.   Januar 1987, als mich die im Zusammenhang mit der
Bekehrung des Paulus verlesenen Bibelstellen an Owen erinnerten. Der Herr sagt
zu Jeremia:
    Ich kannte dich,
    ehe ich dich im Mutterleibe
    bereitete,
    und sonderte dich aus,
    ehe du von der Mutter geboren wurdest,
    und bestellte dich zum Propheten
    für die Völker…
    Doch Jeremia sagt, er wisse nicht, wie er predigen solle, er sei
»zu jung«, sagt Jeremia. Dann sagt ihm der Herr, wo es langgeht; der Herr sagt:
    Sage nicht, »Ich bin zu jung«;
    sondern du sollst gehen,
    wohin ich dich sende,
    und predigen alles,
    was ich dir gebiete.
    Fürchte dich nicht vor ihnen;
    denn ich bin bei dir und will dich erretten,
    spricht der Herr.
    Dann berührt der Herr Jeremias Mund und sagt:
    Siehe, ich lege meine Worte in
    deinen Mund.
    Siehe, ich setze dich heute über
    Völker und Königreiche,
    daß du ausreißen und einreißen,
    zerstören und verderben sollst
    und bauen und pflanzen.
    [125]  Hauptsächlich an
Kirchenfeiertagen denke ich an Owen; manchmal denke ich zu sehr an ihn, und
dann lasse ich für gewöhnlich eine Sonntagsmesse ausfallen, oder auch zwei – und versuche, das Gebetbuch eine Zeitlang nicht in die Hand zu nehmen. Ich
denke, die Bekehrung des Heiligen Paulus übt eine besondere Wirkung auf einen
Konvertiten wie mich aus.
    Und wie könnte ich nicht an Owen denken – wenn ich den Brief des Paulus an die Galater lese, die Stelle, an der Paulus
sagt: »Ich war aber unbekannt von Angesicht den christlichen Gemeinden in
Judäa. Sie hatten aber nur gehört: Der uns früher verfolgte, der predigt jetzt
den Glauben, den er früher zu zerstören suchte, und priesen Gott über mir.«
    Wie gut ich dieses Gefühl kenne! Ich vertraue auf Gott wegen Owen
Meany.
    Weil ich Dan Needham vertraute, gab ich Owen das Gürteltier. Ich
steckte es in eine braune Papiertüte, die ich in eine weitere braune Papiertüte
steckte, und obwohl ich sicher war, daß Owen genau um den Inhalt wußte, noch
ehe er die Tüte öffnete, überlegte ich mir kurz, wie geschockt seine Mutter
wohl sein würde, wenn sie die Tüten öffnete; doch ich
fand, daß es ihr nicht anstand, die Tüten zu öffnen.
    Owen und ich waren elf; wir hatten keine andere Möglichkeit
auszudrücken, was wir fühlten, wenn wir an den Tod meiner Mutter dachten. Er
gab mir seine Baseballkarten, doch im Grunde wollte er sie zurückhaben, und ich
gab ihm mein ausgestopftes Gürteltier, natürlich in der

Weitere Kostenlose Bücher