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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wunderschön. Nun, meine Mutter liebte Owen; und wenn er ihr einen
Grabstein geschenkt hätte mit einer Lücke für das Todesdatum – das man dann zur
entsprechenden Zeit eingravieren konnte –, dann hätte sie auch das wunderschön
gefunden. Und in der Tat hatte Owen ihr meiner Meinung nach – und auch Dan sah
es so – einen Grabstein geschenkt. Das Ding war in einem Grabsteinladen
hergestellt worden, mit Werkzeugen für die Grabsteinbearbeitung; und auch wenn
das Hochzeitsdatum darauf stand, war es ein Miniaturgrabstein.
    Und obgleich es recht heiter zuging am Hochzeitstag meiner Mutter
und selbst meine Großmutter ungewöhnlich tolerant gegenüber den vielen jungen
und nicht mehr ganz so jungen Erwachsenen war, die ausgelassen und beschwipst
herumtollten, so endete der Empfang doch mit einem plötzlichen Ausbruch von
schlechtem Wetter, der besser zu einer Beerdigung gepaßt hätte.
    Owen, der noch immer Hesters Unterhose in Besitz hatte, wurde
regelrecht aufgekratzt. Mädchen gegenüber war er sonst nie besonders kühn, und
nur ein Dummkopf – oder Noah und Simon – konnte es wagen, bei Hester kühn zu
werden; doch Owen schaffte es, immer mitten im größten Trubel zu bleiben,
wodurch es für Hester schwierig wurde, wieder an ihre Unterhose zu gelangen.
»Gib sie her, Owen«, zischte sie ihm zu.
    » KLAR, SOFORT, WILLST DU SIE HABEN ?«
fragte er zurück und [178]  griff in seine
Brusttasche, blieb aber ungerührt zwischen Tante Martha und Onkel Alfred
stehen.
    »Nicht hier !« sagte sie drohend.
    » ALSO WILLST DU SIE NICHT ? KANN ICH SIE BEHALTEN ?« wollte er wissen.
    Hester stakste ihm nach; sie ist nur ein bißchen ärgerlich, dachte
ich – oder es macht ihr ein bißchen Spaß. Ihre Art zu kokettieren machte mich
ein klein wenig neidisch, und das Ganze zog sich so lang hin, daß es Noah und
Simon langweilig wurde und sie anfingen, sich für den Aufbruch von Mutter und
Dan mit Konfetti zu bewaffnen.
    Der kam früher als geplant, denn sie hatten eben erst angefangen,
den Hochzeitskuchen anzuschneiden, als das Unwetter losbrach. Es war immer
dunkler geworden, und der Wind brachte jetzt schon ein wenig Nieselregen mit
sich; doch als das Donnern und Blitzen einsetzte, legte sich der Wind, und der
Regen prasselte herunter – es goß wie aus Eimern. Die Gäste stürzten auf das
schützende Haus zu; meine Großmutter gab es bald auf, die Leute dazu
anzuhalten, sich die Füße abzutreten. Die Bediensteten mühten sich mit der Bar
und dem Buffet ab; sie hatten ein Zelt aufgebaut, das über die halbe Terrasse
reichte, wie eine Markise, doch es war nicht genug Platz für die
Hochzeitsgeschenke und all die Speisen und Getränke;
deshalb halfen Owen und ich, die Geschenke hineinzutragen. Meine Mutter und Dan
rannten nach oben, um sich umzuziehen und ihre Reisetaschen zu holen. Onkel
Alfred mußte den Buick heranchauffieren, den er nicht allzusehr in dem bei
Hochzeiten üblichen Stil verunstaltet hatte: Er hatte nur mit Kreide »Frisch
verheiratet« auf die Heckklappe geschrieben, doch die Aufschrift war schon fast
gänzlich weggewaschen, als meine Mutter und Dan in frischen Kleidern, die
Reisetaschen in der Hand, unten ankamen.
    Die Hochzeitsgäste versammelten sich hinter den vielen Fenstern, die
auf die Auffahrt hinausgingen, um die Jungvermählten [179]  in
die Flitterwochen entschwinden zu sehen; ihre Abreise verlief etwas chaotisch.
Der Regen prasselte auf sie nieder, während sie versuchten, das Gepäck im Wagen
zu verstauen; Onkel Alfred, ihr »Kammerdiener«, war bis auf die Haut nass – und
da Simon und Noah das ganze Konfetti gehortet hatten, waren sie die einzigen,
die damit warfen. Sie warfen das meiste davon auf ihren Vater, denn der war so
naß, daß das Konfetti an ihm kleben blieb und er im Handumdrehen wie ein Clown
aussah.
    Die Leute hinter den Fenstern unseres Hauses in der Front Street
jubelten dem Brautpaar zu, doch meine Großmutter runzelte die Stirn. Chaos
störte sie, Krawall war Krawall, auch wenn man sich dabei vergnügte; schlechtes
Wetter war schlechtes Wetter, auch wenn es niemandem etwas auszumachen schien.
Und außerdem beobachteten sie einige ihrer alten Jungfern. (Wie reagiert eine
Majestät auf Regen an einer Hochzeit? Geschieht Tabby Wheelwright ganz recht – die in ihrem weißen Kleid.) Meine Tante Martha trotzte dem Regen und lief
hinaus, um meine Mutter und Dan zu umarmen; Noah und Simon bewarfen auch sie
mit Konfetti.
    Dann, so plötzlich wie der Wind sich gelegt und der

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