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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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zusammenreißen, um nicht ein Lied vor sich hin zu summen. Seine Laune war bestens, er selbst fühlte sich aufgekratzt und freudig erregt. Jede Faser gespannt vor Tatendrang.
    Kurioserweise hatte er selbst dafür gesorgt, dass er sich die langweilige Rede anhören musste. Innerhalb weniger Sekunden. In einem Anfall mutiger Spontaneität.
    Es hatte alles gepasst. Das Haus in der Lagerstraße mit seinen zehn Stockwerken und zehn luxuriösen Eigentumswohnungen hatte einen Aufzug, der ausgerechnet vor knapp zwei Wochen ausgefallen war. Sabine war angetrunken von der Nikolausfeier in der Firma gekommen, sie wohnten im obersten Stock. Den Rest besorgten ein beherzter Stoß, die Designertreppe mit ihren scharfen Kanten und die Schwerkraft. Das Ende seines Martyriums an der Seite einer – wie er fand – psychisch kranken, alkoholsüchtigen Frau.
    Unfall.
Thomas lächelte und blickte zum Fenster hinaus.
Vier Millionen in fünf Sekunden verdient. Wäre ein guter Stundenlohn.
Jetzt hatte er Geld und Zeit für andere Frauen. Ilona, die Schreibkraft des Notars, gefiel ihm gut. Ihr Gesicht kam ihm vage bekannt vor.
    »… P. S. Ich töte dich.«
    Thomas runzelte die Stirn. »Was?« Er sah den graugesichtigen Notar an, dessen Namen er ständig vergaß.
    »P. S.«, wiederholte der Mann mit erkennbarer Überraschung auf dem Gesicht, »ich töte dich.«
    Thomas beugte sich nach vorne und streckte seine freie Hand aus. Kaffee schwappte über den Rand und tropfte auf seine hellbraunen Schuhe.
    »Ich lese nur vor, was da steht, Herr Heisel.« Der Notar reichte ihm das Blatt. »Aber ich gestehe, dass es ungewöhnlich ist. Das ist mir in meinen ganzen Berufsjahren noch nicht untergekommen!«
    Thomas starrte auf den Satz, hingequetscht unter die letzte Zeile. Handschriftlich, aber mit Sabines typischem Schwung. Der letzte Gruß an ihn.
Hatte sie es geahnt?
    Ein kalter Schauder rann sein Rückgrat hinunter, und er verzog den Mund. »Meine Frau war für ihren schwarzen Humor bekannt«, sagte er dann nervös. Eigentlich hatte er lachen wollen, stattdessen stieß er einen Laut aus, der zwischen Husten und Wiehern lag. Er hörte Sabine ihren Lieblingsspruch aufsagen, den sie immer brachte, wenn sie zehn Schnäpse intus hatte: »Wenn ich sterbe, mein Schatz, sterbe ich nicht alleine.«
    Blöde Schlampe. Sie konnte es nicht lassen.
Thomas stürzte den Kaffee hinunter, sein Mund wurde trocken. »Wann habe ich Zugriff auf das Vermögen? Wir hatten vor ihrem Tod größere Anschaffungen gemacht, die bezahlt werden müssen, sonst …« Das stimmte zwar nicht, aber es klang unverdächtig, auf diese Weise nach den Millionen zu fragen. Das Papier gab er an den Notar zurück.
    »Natürlich.« Der Mann legte den Zettel auf den Arbeitstisch und faltete die Hände. Ein Vorzeichen für kommende Untätigkeit. »Ende nächster Woche, Herr Heisel. Bis dahin habe ich den Erbschein ausgestellt.«
    »Eine Woche?!«
    »Tut mir leid. Mein Urlaub. Aber die Banken werden gleichzeitig von meiner Kanzlei in Kenntnis gesetzt.« Er lächelte wie eine programmierte Roboterpuppe, die Mundwinkel blieben oben, wie von unsichtbaren Schnüren gehalten. »Auf mich wartet ein Flieger nach Fuerteventura. Wenn ich sonst noch was für Sie tun kann?«
    Nein, konnte er nicht. Eine Woche. Thomas erhob sich. »Danke. Ich warte dann auf Ihre Post.« Er verzichtete auf den Handschlag, weil er die kaltschweißige Hand des Anwalts verabscheute. Vor lauter Ekel würde er sich womöglich dazu hinreißen lassen zuzuschlagen. »Tag.« Er verließ das Büro, lief durch den Vorraum und raus auf die Straße.
    Sieben Tage.
Thomas strich sich durch die schwarzen Haare, fuhr mit dem Zeigefinger über seine Unterlippe und schaute zum Himmel.
Das geht auch noch vorbei. Schneller als die vier Jahre mit der verrückten Schabracke.
Er rannte los und verfiel nach ein paar Schritten in einen lockeren Dauerlauf.
    Ihm war nach Bewegung und Action. So lebendig hatte er sich ewig nicht mehr gefühlt, und es wurde besser von Tag zu Tag. Der Tod bedeutete eine immense Befreiung – solange es nicht sein eigener war.
    ◊
    Als Thomas nach zehn Kilometern ungeplantem Jogging durch den Stadtpark verschwitzt und in Büroklamotten seine Wohnung betrat, fiel ihm der kleine Zettel auf, der unter der Haustür durchgeschoben worden war.
    »P. S. Ich töte dich« stand drauf. Ausgedruckt und unpersönlich.
    »Scheiße«, entfuhr es ihm keuchend, noch von den Stufen außer Atem. Er blickte sich um, doch in dem

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