Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
überschritten hatte und seine Tochter erst 17 Jahre alt war, und es war nur eine Frage von Wochen, bis aus Joy Hargrove Joy Main werden sollte.
    Sie waren bis zu Joys Tod sieben Jahre verheiratet, und in dieser Zeit brachte sie drei Kinder zur Welt. Sie hörte auf zu singen, wurde unauffällig, schien sich mit ihrer Rolle als Ehefrau zufriedenzugeben und zog sich schließlich weitgehend zurück. Sie war in ganz Fayette County bekannt, aber keiner wusste, wie sie wirklich war.
    An diesem Dezemberabend, als man sie in Wagners Haus brachte, gerade in dem Augenblick, da die Wärme des Tages in der Dunkelheit entschwand, lag Joy Mains 25. Geburtstag gerade mal eine Woche zurück. Sie war an einer Schädelfraktur gestorben.
    Edwin begleitete sie, Tränen in den Augen und den Sheriff an seiner Seite. Er berichtete, dass Joy aus dem Stall herausgekommen war, um nach ihm zu sehen, als plötzlich ein Pferd scheute und mit den Hinterhufen so heftig ausschlug, dass sie am Kopf getroffen wurde.
    Er hatte das Pferd erschossen, wie Edwin mit würgender Stimme erzählte, und dann nach dem Sheriff geschickt. Vielleicht war es nicht richtig, das Pferd zu erschießen, aber er musste es einfach tun. Auge um Auge, Blut um Blut.
    Arlen hielt sich im Inneren des Hauses auf, hatte aber alles mitbekommen. Die Männer standen auf der Veranda, den in Tücher eingewickelten Leichnam zu ihren Füßen. Nachdem Edwin die Geschichte erzählt hatte, sagte Isaac Wagner: »Du hattest den Nerv, das Pferd zu erschießen, während deine Frau im Sterben lag?«
    Ehe Edwin antworten konnte, mischte sich der Sheriff ein und sagte zu Isaac, dass der Mann in Trauer sei und er gefälligst solche dummen Fragen unterlassen solle. Verdammt, wen kümmerte schon ein Pferd in einer Zeit wie dieser? Isaac hatte nichts weiter gesagt, aber Edwin Main starrte ihn aus dunklen Augen an, und Arlen, der mittlerweile ans Fenster getreten war, konnte die Kälte, die von ihm ausging, durch das Glas hindurch spüren, fast so wie den Wind, der aus den nördlichen Hügeln zurückgekehrt war.
    Isaac nahm den Leichnam in seine Arme und bereitete sich darauf vor, ihn in seine Werkstatt zu tragen. Da meldete sich Edwin noch einmal zu Wort und sagte ihm, er wünsche für seine Frau den schönsten Sarg, den Isaac je gemacht habe. Alles darunter wäre Sünde, und ganz gleich, was die Kiste kosten möge, er würde jeden Preis bezahlen. Isaac sagte ihm, dass jeder seiner Särge etwas ganz Besonderes sei.
    Kurze Zeit nachdem die Männer gegangen waren, hörte Arlen aus der Werkstatt den gefürchteten Satz:
Sag es mir.
    Dieses Mal hatte er sich zur Tür geschlichen. Normalerweise versuchte er, sich von der Stimme fernzuhalten, doch in dieser Nacht lag eine solche Spannung in der Luft, als sein Vater die Frage nach dem Pferd gestellt und Edwin Main ihn nur drohend angestarrt hatte.
    Nicht sie,
dachte Arlen,
nicht sie unter all den Leuten aus der Stadt, mit denen du sprechen könntest, nicht seine Frau. Man wird uns aus der Stadt jagen, sobald irgendjemand davon erfährt.
    Das Gespräch dauerte jedoch an, und es versetzte ihn in Angst und Schrecken. Isaac Wagner gab vor, die Schilderung eines Mordes zu hören.
    »Er wollte sich an eurem Hausmädchen vergreifen? Sie ist doch nicht älter als 15, oder? Er hatte vor, sie zu vergewaltigen? Hat sie beobachtet, was danach geschehen ist? Womit hat er dich geschlagen? Hat er dich schon früher geschlagen? Haben die Kinder das gesehen? Oder jemand anderes?«
    Arlen stand an der Tür und konnte alles hören. Er fühlte eine Eiseskälte in seiner Brust, die noch zunahm, als Isaac sagte:
»Ich werde mich darum kümmern, dass er zur Rechenschaft gezogen wird. Ich verspreche es dir; ich schwöre es dir.«
    Arlen öffnete die Tür, betrat den Raum und schrie seinen Vater an, damit aufzuhören. Was er sah, war schrecklicher als alles, was er sich vorgestellt hatte. Isaac hatte den Leichnam der Frau auf die Füße gestellt und ihre Hände über seine Schultern gelegt, so dass er direkt in ihre Augen blickte. Das Haar war immer noch blutverschmiert, ihre Augenlider hingen halb geschlossen herunter, und doch blieb eine Andeutung ihrer blauen Augen, die über Isaacs Schulter direkt in Arlens eigene Augen zu starren schienen.
    »Sie erzählt mir, was passiert ist«, sagte Isaac. »Hab keine Angst, mein Junge. Sie sagt mir die Wahrheit.«
    »Tut sie nicht«, kreischte Arlen. »Sie kann nicht sprechen, sie kann dir nichts mehr sagen, sie ist tot!

Weitere Kostenlose Bücher