P S: Verzeih mir!: Roman (German Edition)
hier gelandet war. Trotzdem war es unglaublich schwer, ihn nicht zu bedauern. Wer wusste schon, welche Umstände Leute auf diesen kalten, elenden, von Wasser umgebenen Felsen führten? Sie lächelte, da sie wusste, dass Adam, wäre er jetzt hier, zweifellos belustigt wäre über diese Denkweise, und auch wenn sie nicht gerade liberal war, fragte sie sich, ob …
Leonie blieb abrupt stehen, als etwas, was der Gefangene gesagt hatte, plötzlich ihre Aufmerksamkeit fesselte.
»Es ist, als ob die Zeit hier stillstehen, das Leben um einen herum aber weitergehen würde …«
Sie stand wie angewurzelt da, hatte fast Angst, sich zu bewegen, während in ihrem Hirn langsam die Zahnräder ineinandergriffen.
Die Zeit steht hier still . Sie hatte genau denselben Ausdruck schon mal irgendwo gehört. Erst vor kurzem. Aber wo?
Leonie sah zum Fenster hinaus, wo eine einzelne Möwe mit dem Wind dahintrieb, die perfekte Metapher für die Freiheit, die dieser Ort leugnete.
Dieser Ort …
Plötzlich fiel es ihr ein. Ja, der Ausdruck war vertraut, doch sie hatte ihn nicht gehört, sie hatte ihn gelesen oder zumindest eine etwas andere Version davon.
»An diesem Ort scheint die Zeit manchmal fast stillzustehen.«
Und plötzlich dämmerte es ihr, so dass ihr schwindlig wurde, und auf einmal wusste Leonie, wo genau sie nach Nathan suchen mussten.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft …« Alex wusste nicht, was sie sagen sollte.
Bei ihrer Rückkehr von Alcatraz stürzte Leonie von der Fähre und zurück aufs Festland, voller Begierde, in die Green Street zu rennen und noch mal jeden einzelnen von Nathans Briefen zu lesen, diesmal mit einem völlig neuen Blick und unter Berücksichtigung ihres Verdachts.
Und danach war sie überzeugter denn je, dass sie recht hatte.
»Siehst du denn nicht? Es ergibt jetzt alles einen Sinn«, versuchte sie Alex zu überzeugen, als ihre Freundin an diesem Abend von der Arbeit nach Hause kam. »All diese Bezüge auf ›diesen verrückten Ort‹ und ›sich ängstlich und einsam fühlen‹ … Ich hatte angenommen, dass er von der Trennung von Helena sprach, aber das war es gar nicht. Und wir haben immer gefunden, dass es komisch war, dass er niemals davon sprach, sie zu besuchen, oder versucht hat, ein Treffen mit ihr zu verabreden. Weil er nicht konnte!«
Alex betrachtete die Briefe, die auf Leonies Couchtisch ausgebreitet lagen. »Ich weiß nicht, es ist immer noch verdammt weit hergeholt …«
»Nein, ist es nicht.« Leonie schwang die Beine unter sich aufs Sofa. »Es ist genau, was wir vorher gedacht haben. Er hat ihr weiter an diese Adresse geschrieben, weil er nicht wissen konnte, dass sie gestorben ist. O Alex, ich weiß nicht, warum wir nicht vorher darauf gekommen sind!«
Sie war außer sich vor Aufregung.
Doch alles passte. Die zu Herzen gehende, sich erinnernde Herangehensweise, der entschuldigende Ton. Und was die Bitte um Vergebung anging … na, das ergab doch nun voll einen Sinn, oder?
»Es würde sicher die Bundesstempel erklären«, gab Alex widerwillig zu, während sie versuchte abzuwägen, was Leonie da meinte. »Nicht, dass ich viel über diese Dinge weiß, aber ich hätte geglaubt, es wäre deutlicher auf dem Umschlag zu sehen, woher er kommt.«
»Nicht unbedingt. Ich bin sicher, es muss doch auch bei solchen Dingen eine Art Privatsphäre geben, oder?«
»Mag sein. Aber nur mal eine Sekunde lang angenommen, es ist, wie du glaubst, wieso verändert das denn alles?«
»Es ändert alles, Alex!« Leonie konnte nicht glauben, dass sie überhaupt fragen musste. »Erst einmal ist es wichtiger denn je, dass wir ihn jetzt finden. Denk doch nur, der arme Kerl schmachtet an so einem Ort dahin …«
»Hm, Leonie, ich würde ihn ja nicht so schnell bemitleiden. Wer weiß, mit wem wir es hier zu tun haben? Diese Typen sind Experten darin, Leute zu manipulieren, und wenn ich es jetzt recht bedenke, geht es vielleicht genau darum in diesen Briefen.«
»Ach, komm schon.« Leonie konnte es nicht glauben, wie sich Alex verhielt.
»Ich meine es ernst. Gib es zu, du warst von Anfang an von dem Typen bezaubert.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Sozusagen vom ersten Wort an.«
Na ja, da mochte sie gewissermaßen recht haben, gab Leonie zu. Vom ersten Tag an hatten Nathans Worte einen großen Eindruck auf sie gemacht, und sie nahm an, dass sie versuchen sollte, die Dinge ein bisschen zynischer zu betrachten, doch wenn überhaupt, machte sie das, was sie vor kurzem entdeckt
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