P., Thomas
gekotzt. Aber
trotz allem wartete ich weiterhin auf den Zeitpunkt, an dem auch ich einer von
ihnen werden würde. Und merkte nicht, wie würdelos ein Mensch doch im Laufe
der Zeit werden konnte...
11. Der Member: Die feige Rache
der Bandidos
1.
Im Mai 2007 war es dann doch noch so weit. Ganz
unspektakulär allerdings und nur auf unserem freitäglichen Clubabend. Ich hatte
wie immer als Haus- und Serviersklave den Versammlungsraum hergerichtet, hing
irgendwann an der Bar und wartete, bis ich am Ende dieses Abends wieder meinen
Deppendienst erledigen durfte. Und dann kam plötzlich ein Member aufgeregt die
Treppe heruntergerannt und sagte, ich solle mit ihm nach oben kommen. Vor der
Tür flüsterte er mir zu: »Sag bloß nichts Falsches.« Mein lockeres Mundwerk
war mittlerweile bekannt, und die Gefahr, mir den Mund zu verbrennen, wurde
noch dadurch erhöht, dass mir der ganze Laden im Unterbewusstsein leider schon
ziemlich am Arsch vorbeiging. Ich wollte es mir nur nicht eingestehen.
Da saßen sie nun also alle an ihren Tischen. Als ich
eintrat, stand der Präsident feierlich grinsend von seinem Stuhl auf. Ich
fühlte mich wie ein Sechsjähriger, der auf den Nikolaus wartet, um mit
zittrigen Knien sein Sprüchlein aufzusagen, und darauf hofft, dass der
allwissende bärtige Mann doch gnädig sein möge. Der Nikolaus war unser
Präsident, bärtig und tätowiert, und er holte, bildlich gesprochen, die Rute
aus dem Sack.
»Mir wurde erzählt, dass du letzte Woche so voll warst,
dass du keine Member nach Hause fahren konntest«, brummte der Nikolaus.
»Auf gar keinen Fall«, antwortete ich.
»Ach! Du willst also behaupten, dass ich lüge«, raunte der
Präsident mit erboster Stimme.
»Das nicht, aber es war nicht letztes Wochenende, sondern
das Wochenende davor!«
Alle lachten.
»Welcome to the family«, sagte der Nikolaus. Und so wurde
ich an jenem Abend doch noch zum Member.
Ich konnte mich natürlich nicht zurückhalten und sagte:
»Und jetzt sollen sich bitte alle, mit denen ich in den letzten anderthalb
Jahren Probleme hatte und die mich nicht leiden können, unten in einer Reihe
aufstellen - dann klären wir das im Einzelgespräch.«
Und wieder lachten alle. Sie hielten das für einen Scherz.
Ich nicht. Ich hätte als Member gerne manch einem hochoffiziell ein paar in die
Fresse gehauen. Denn die meisten meiner neuen »Brüder« konnte ich nach wie vor
nicht leiden.
Wie gesagt, man kann einen Mann nicht zwei Jahre lang wie
Scheiße behandeln und dann meinen, nur weil er nun zum Member geworden war,
ist von einem Moment auf den anderen alles wieder vergessen. Ich zumindest war
dazu nicht imstande...
Dann folgte die Bescherung. Akkurat verpackt, wurden mir
die Präsente überreicht, und zu meinem Erstaunen waren wirklich schöne Dinge
dabei. Der Sergeant at Arms überreichte mir den Membergürtel samt
Deathhead-Schnalle, der allein schon weit über 200 Euro kostete. Andere
schenkten mir ein T-Shirt, ich bekam einen Pulli und noch eine Jacke. Von den
Jungs aus meiner Ecke bekam ich eine riesige goldene Deathhead-Gürtelschnalle
und einen Totenkopf aus LED-Leuchtdioden. Der Club ließ sich nicht lumpen. Als
wollten die Member an einem Abend den ganzen Mist wiedergutmachen und mir
sagen: »Junge, siehst du, es hat sich doch gelohnt.« Und der Sergeant, der mich
jahrelang schikaniert hatte, setzte noch einen drauf und spendierte mir einen
Besuch im Puff. Natürlich in seinem eigenen Laden, damit es ihn nicht so viel
kostete.
Ich hatte überhaupt keinen Bock auf diese Nummer, bin dann
aber doch irgendwann in dieser Nacht mit dem Sergeant zu dem Bordell gefahren.
Er meinte generös, ich solle mir eine der Damen aussuchen, was ich dann auch
tat. Wir verzogen uns auf ihr Zimmer, aber nur, damit sie auch vom Sergeant ihr
Geld bekam. Denn ficken wollte ich die Alte natürlich nicht. Ich war in einer
Beziehung, und die war mir schon zu jener Zeit sehr viel wichtiger als Rot-Weiß!
Ich war mit einer Hure auf dem Zimmer, und es blieb
absolut jugendfrei. Neben dem großen runden Bett standen ein Tischchen und zwei
Stühle. Dort setzten wir uns hin, tranken eine Cola und sprachen darüber, ob
ihr die Arbeit Spaß machte und was sie über das Wetter in diesem Frühling
dachte. Eine Stunde lang zogen wir unsere »Nummer« knallhart durch, damit sie
auch ordnungsgemäß bezahlt wurde. Und dann ging meine Ernennungsfeier ruhig
und entspannt zu Ende.
Im Club begann nun eine andere Zeit, das war mir schon
klar.
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