Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
Vom Netzwerk:
Mit dem Sergeant traf ich mich zwar immer noch zum Essen, aber ab diesem
Zeitpunkt war die Sache freiwillig, und ich konnte jederzeit sagen, wenn ich
keinen Bock drauf hatte. Und ich hatte nur noch selten Lust.
    Ich saß nun auch mittendrin in den freitäglichen Meetings
und nicht mehr vor der verschlossenen Flügeltür. Und auch hier wurde der
vermeintliche Mythos naturgemäß schon beim ersten Clubabend entzaubert.
Besprochen wurde - wie bei Gremium — gar nichts, und ich kam mir erneut vor wie
bei der Jahreshauptversammlung eines Karnickelzuchtvereins. Mit dem einen
Unterschied: Im Gegensatz zu vielen Hasenzüchtern waren mir die Leute in
meinem Verein mehrheitlich unsympathisch. Für die meisten Angler war das Patch,
die Mitgliedschaft bei Rot-Weiß, das, was für den Investmentbanker der Porsche
war - eine Verlängerung für zu kurz geratene Schwänze oder ein Ersatz für auf
tragische Weise verloren gegangene Eier.
    Die Strohhalme mit dem weißen Puder daran hatte ich ja in
den Monaten zuvor schon gesehen, wenn ich gezwungen war, den ganzen Saustall
wieder in Ordnung zu bringen. Als Member nun sah ich endlich auch die passenden
Leute dazu. Etwa zehn bis fünfzehn Mann koksten und dealten hemmungslos. Das
Drogenverbot, das in den ominösen World Rules der Hells Angels dokumentiert
sein sollte, ist nichts als dummes Geschwätz. In Bremen hätte gut die Hälfte
aller Member rausfliegen müssen. Hochkant und mit Arschtritt! Als Member hätte
ja nun auch ich die World Rules lesen dürfen. Welch eine große Ehre. Aus dieser
Sache wurde gemeinhin ein riesiger Mythos gemacht. Sie würden in den Tresoren
liegen und sollten geheim gehalten werden. Wer öffentlich über die World Rules
sprach, müsse um sein Leben fürchten. Schwachsinn. Mich hatten sie nie
interessiert, und ich glaube auch nicht, dass nur ein Member diese ominösen
Regeln je zu Gesicht bekommen hatte. Und wenn doch: Kein einziger 81er hielt
sich daran.
    Das Patch trug ich außerhalb des Clubs nie. Höchstens mal
ein T-Shirt, oder ich ließ das Schlüsselband aus der Hosentasche hängen. Das
Member-Schlüsselband natürlich, also keines, was man auch im Hells-Angels-Shop
hätte erwerben können. Ich legte keinen Wert darauf, überall sofort als 81 er
erkannt zu werden. Im Gegensatz zu vielen anderen, die persönlich darauf angewiesen
waren, sich allein über ihr Patch zu definieren. Manch einer hatte schließlich
nicht mehr zu bieten als diesen albernen Aufnäher mit dem Deathhead. Ich mochte
es zu jener Zeit eine Spur bescheidener, vielleicht auch, weil ich innerlich
schon so gut wie draußen war.
     
    2.
     
    Kaum zwei Wochen nach meiner Ernennung zum Member hatte
ich wieder ein nachhaltiges und einschneidendes Erlebnis. Robert K, ein
langjähriger Member unseres Charters West Side, wurde am 23. Mai 2007 in
seinem Laden erschossen. Robert hatte in der westfälischen Kleinstadt
Ibbenbüren ein Harley-Davidson-Geschäft mit Werkstatt. Auch ich hatte meine
Harley bei ihm gekauft. Eine zum Dragster gepimpte FXR, die auf der Geraden
weit über 200 Sachen ging, in Kurven allerdings schon bei Tempo 20 aufsaß. Eine
miese Dreckskarre - aber ich liebte sie.
    Robert war ein eher ruhiger und friedlicher Typ und auch
an dem Überfall auf die Bandidos nicht beteiligt. Und dennoch war mir sofort
klar, wer seine Mörder waren. Es gab nur eine Erklärung...
    Es muss gegen acht Uhr morgens an diesem Mittwoch gewesen
sein. Ich war noch etwas schläfrig, hatte ich doch schon gegen fünf aufstehen
müssen, um mit einem anderen Member zusammen am Flughafen Hannover zwei Nutten
für das Etablissement unseres Sergeants abzuholen. Wie immer bei solchen
Aktionen natürlich in Zivil, keiner hätte uns als Hells Angels identifizieren
können. Wir hatten die Frauen, die irgendwo aus Osteuropa kamen, gerade zum
Auto gebracht, als mein Handy klingelte. Auf dem Display blinkte die Nummer des
Sergeants. Ich war schon genervt, als ich nur seinen Namen sah, denn ich
dachte, er wollte mir wieder irgendeinen unbedeutenden Mist reindrücken. Aber
seine Stimme war ungewohnt gedämpft. »Robert ist tot!«, sagte er kurz.
»Erschossen. In seinem Laden.«
    Mir schnürte es den Atem ab. Das war nun wirklich eine
ganz neue Dimension. Klar waren wir reichlich angepisst von den Tacos, und ich
wäre immer dabei gewesen, wenn es darum ging, die Bande ordentlich
wegzuschlagen. Aber Mord? Als Rache für eine Geschichte, an der auch ich
maßgeblich beteiligt gewesen war?
    Dass es Robert getroffen

Weitere Kostenlose Bücher