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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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würde und sich
offenbar in der Werkstatt versteckt habe. Da waren die geschlagene drei Stunden
in der Werkstatt auf Spurensuche und fanden diesen Mitarbeiter nicht? Roberts
Angestellte waren natürlich alle abgehauen, als die beiden Typen mit den
Knarren reinspaziert kamen. Der Gesuchte indes, ein Pole, versteckte sich — wie
im Märchen das Geißlein - in einem Schrank und zitterte dort so lange vor sich
hin, bis alles vorbei war. Offenbar hatte er nicht viel von dem Anschlag
mitbekommen, und schließlich fand ihn die Polizei doch noch in seinem Versteck.
    Irgendwann waren die Ermittler wohl fertig mit ihrer
Arbeit, und der Leichenwagen rollte an. Und schon wieder stieg die Wut in mir
hoch. Da schickten die doch eine üble Rostlaube, für die der nächste TUV auch
der letzte gewesen wäre. Musste unser Bruder tatsächlich seinen letzten Gang
in einer derart alten Kiste antreten? Ich fand das würdelos.
    Wir waren noch etwa zehn Member am Tatort. Wir legten alle
eine Hand auf den Leichenwagen und schwiegen. Längst war es später Nachmittag
geworden, und manchen gestandenen Kerlen, seit zwanzig Jahren Member und
ebenso lange Freunde von Robert, rollten die Tränen über die rauen und bärtigen
Wangen. Es war sehr ergreifend. Sicher mischte sich in die Trauer auch die
stille Gewissheit, dass es jeden von uns hätte treffen können.
    Robert durfte schließlich nach zähen Verhandlungen in
seiner Werkstatt aufgebahrt werden, und bereits am Wochenende drauf sollte die
Beerdigung stattfinden.
    Mittlerweile hatten wir auch ein paar Details in Erfahrung
bringen können. Robert war mit vier oder fünf Schüssen in den Rücken getötet
worden. Er hatte noch versucht zu fliehen, stürzte aber offenbar und zog sich
dabei auch noch eine schwere Kopfverletzung zu. In der Werkstatt war eine dicke
Blutspur von gut 30 Metern bis hinüber in sein Büro zu sehen, wo er dann
schließlich zusammengebrochen und seiner Blutlache jämmerlich verreckt war.
Robert K. wurde 47 Jahre alt.
    Der Sergeant fragte in die Runde, wer die Werkstatt
aufräumen und reinigen könne. Drei Leute meldeten sich: Stasi, Kirsten und
ich. Das waren wir unserem Bruder schuldig. Was ich damals jedoch nicht
verstehen konnte: Wo waren die Member, die Robert länger und besser kannten?
Wo?
    Es dauerte Stunden, bis wir die ganzen Blutlachen
beseitigt hatten. Das Blut verwischte erst nur, und mit jedem Reinigungsversuch
wurde ich noch wütender. Wir drei Jungs haben uns dann Schlafsäcke und
Feldbetten geholt, in der Werkstatt aufgebaut und eine Totenwache gehalten. Bis
zu der Beerdigung. Warum nur wir drei, bei über 30 Membern im Charter West
Side? Da hatten wir sie wieder, die Brüderschaft, die verschworene Gemeinschaft
der Hells Angels. Sobald es ungemütlich wurde und nichts zu verdienen war, sah
man sie nicht mehr, die sogenannten Bros, unsere Brüder.
    Das konnte ich auch Monate später feststellen, als ich ein
Fernsehinterview mit dem mediengeilen Vize des Charter West Side sah, der sich
bundesweit auch als Pressesprecher der Hells Angels aufspielte. In dem Beitrag
über Robert K. erklärte unser Vize, dass unser Bruder »Anfang des Jahres
ermordet« worden sei. Anfang des Jahres? Es war Ende Mai! Der Pisser wusste
nicht einmal, wann einer seiner langjährigen »Freunde« sein Leben für den Club
gelassen hatte. Derart unwichtige Details wie der Todestag eines Bruders waren
für egomanische Selbstdarsteller offenbar nicht wichtig. Dafür fuhr man dann
aber mit ernsten Gesichtern zu »Memory Runs«, also Trauer- und Gedenkfahrten.
Der schöne Schein musste schon stimmen bei den Hells Angels, dieser verschworenen
Gemeinschaft, in der alle eine Familie bildeten.
    Aber mir war das zu diesem Zeitpunkt schon völlig
gleichgültig. Besser, die Sache mit zwei Brüdern durchstehen, die es auch
ehrlich meinten, als mit zehn Opportunisten. Wir haben schließlich, als endlich
alles sauber war, auch noch die Trauerfeier vorbereitet. Die sollte ja schon am
Samstag, also drei Tage nach dem feigen Mord in der Werkstatt, stattfinden. Es
mussten Klimaanlagen aufgebaut werden, Stühle und natürlich die Bahre, auf der
der Sarg am Ende würdevoll stehen sollte.
    Die Trauerfeier selbst war dann immerhin sehr
eindrucksvoll. Es kamen mehr als 1000 Gäste aus ganz Europa. Ein würdiger
Abschied für Robert, unseren Bruder, der dem sogenannten Rockerkrieg, wie die
Medien es nannten, zum Opfer gefallen war.
    Kurz nach der Tat wurden Heino B., 48, aus Bremen und
Thomas K., 36 - ihres

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