P., Thomas
Member
befördert und erhielt das sogenannte Fullcolour. Auch in diesem Zustand war
man im Grunde noch einmal für ein weiteres Jahr auf Probe. Erst dann durfte man
sich endgültig den Deathhead auftätowieren lassen. Und erst dann gehörte man
wirklich dazu und war ein richtiger Hells Angel, ein Höllenengel.
Als wir eines Abends zu einer Party nach Köln fuhren,
merkte ich, dass etwas im Busch war. Meine Kumpels hatten den Kofferraum
voller Geschenke gepackt, und ich war mir sicher, dass es endlich so weit sein
würde. Die Ernennung zum Member war umso schöner, je größer die Veranstaltung
war, auf der sie stattfand. Man erhielt Geschenke, alle Augen waren auf einen
gerichtet, und endlich konnte man das Gefühl haben, dass man wirklich
dazugehörte. Ich hatte eigentlich darauf spekuliert, auf dem World Run vor über
1000 Membern meine Ernennung zu erleben. Nun aber sollte es offenbar in Köln
passieren, auf einer Hells-Angels-Party. Auch gut...
Die Party lief, und irgendwann spürte man ein Knistern im
Raum. Und tatsächlich, mit einem Mal, ergriff der Präsident des Charter West
Side das Wort, schwadronierte ein wenig von seinem tollen Charter und dass man
nun ein neues Vollmitglied begrüßen dürfe. Nach oben gebeten wurde dann:
Daniel. Die unfähigste Pfeife, die ich in dem Laden je erleben durfte. Ich
stand da inmitten von »Brüdern« und war dennoch völlig allein. Ich konnte es
nicht fassen. Auch meine Kumpels waren davon ausgegangen, dass ich an jenem
Abend derjenige hätte sein müssen. Das zumindest raunten sie mir hinter
vorgehaltener Hand zu. Aber schon wieder schien mir meine offene Art, aber auch
mein ungezügeltes Temperament in die Quere gekommen zu sein. Ich hatte leider
immer allen gesagt, was ich von ihnen hielt, und dies im Zweifel auch noch physisch
unterstrichen. Und nun war ich mal wieder der Idiot.
Aber die Angels wären nicht die Angels, wenn nicht immer
noch ein Sahnehäubchen auf den ganzen Scheiß obendrauf gesetzt werden konnte.
Kaum zehn Minuten nachdem er zum Member ernannt worden war, kam dieses
Arschloch von Daniel auf mich zu und sagte: »Kollege, du fährst mich dann
morgen früh zurück.« Er war ja nun Member und ich der dumme Prospect. Ich konnte
es nicht fassen. Ich sagte ihm, dass er eine beschissene Fotze sei, und ließ
mich gepflegt volllaufen. Und es wurde immer krasser. Nur zwei Wochen danach
feierte unser Präsident das Richtfest seines Hauses. Wieder wurde so ein
Vollidiot vom Hangaround zum Prospect ernannt, und wieder blieb ich allein in
der Menge stehen. Meine Laune konnte beschissener nicht sein. Aber ich
realisierte noch immer nicht, dass es keine Ehre war, bei diesem Geckenverein
mitzumachen. Ich blieb verblendet und zweifelte im Grunde eher an mir denn an
den Strukturen in diesem Laden. Und ich wollte noch immer dazugehören.
Das änderte sich auch nicht, als ich an einem Freitag
nicht zum Clubabend gehen wollte, weil ich am Vormittag meinen Hund »Pablo«
einschläfern lassen musste. Ein gutes, treues Tier, das ich von ganzem Herzen
geliebt hatte. Ich war am Boden zerstört und an diesem Freitag nicht in der
Stimmung, einen unbeschwerten Abend mit meinen »Brüdern« zu verbringen. Also
rief ich den Sergeant an, um ihm Bescheid zu sagen. Ich erklärte ihm, was
passiert war — gewissermaßen von Hundebesitzer zu Hundebesitzer -, und ich
hoffte auf sein Verständnis. Die Antwort des Sergeants werde ich mein Leben
lang nicht vergessen: »Kannst du deinen Köter nicht an einem Montag
einschläfern lassen?«
Ich war schockiert. Und musste an jenem Abend tatsächlich
beim Club antreten. Es gab keine Ausnahme. Ich wurde verpflichtet, mit meinen
»Brüdern« zu saufen, auch wenn es für mich nichts, aber auch gar nichts zu
feiern gab. Der Club stand schließlich über allem, und daran gab es nichts zu
rütteln.
Etwas später starb dann der Bullterriermischling des
Sergeants. Unter der Woche, wie es sich für den Hund eines großen Anführers der
Hells Angels gehört. Ich erhielt einen Anruf und bekam mitgeteilt, dass ich
zur Beisetzung erscheinen müsse. Ich fuhr also von Lingen nach Bremen, um mit
acht anderen Membern inklusive deren Frauen zusammen an der feierlichen
Beerdigung von »Mike« teilzunehmen. Die verlogen-verheulten Augen der
Hells-Angels-Mitglieder wurden hinter großen dunklen Sonnenbrillen verborgen.
Es war eine herzzerreißende Zeremonie. Fast, als ob ein Bruder von uns gegangen
wäre. Ich hätte bei dem Anblick der Trauergemeinde um ein Haar
Weitere Kostenlose Bücher