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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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hatte, war so grausam wie
logisch. Er war einer der schwächeren Mitglieder unserer Herde. Bei mir hätten
sie es vermutlich sehr viel schwerer gehabt, denn ich ging nie unbewaffnet aus
dem Haus, und ich achtete schon allein wegen meiner Vorbildung bei der
Bundeswehr und im Personenschutz immer ganz genau auf meine Umgebung. Nicht
zuletzt galt für mich ja auch in kniffligen Situationen immer der Grundsatz:
»Erst schlagen, dann fragen.« Und den hätte ich im Extremfall auch auf den
Gebrauch von Schusswaffen erweitert. Vielleicht hätten sie mich eines Tages
auch gekillt, aber keines dieser Arschlöcher wäre ungeschoren aus der Sache
rausgekommen. Und ich schätze, das wussten diese Pisser auch.
    Robert war eher gutmütig, wenngleich auch er als ein
echter Kerl galt und sich in der Vergangenheit an einigen kleineren Aktionen
gegen die Tacos beteiligt hatte. Sein Taco-Sündenregister, gepaart mit der
relativen Wehrlosigkeit, machte ihn zum perfekten Opfer für Racheanschläge. Und
um nichts anderes ging es hier.
    Andererseits musste ihm als Member der Hells Angels klar
gewesen sein, dass er Mitglied einer Outlaw-Motorcycle-Gang war. Ein Member von
Rot-Weiß musste mit allem rechen. Zumal in der Gegend um Osnabrück, wo Robert
lebte und die nun mal Bandido-Land war. Es gab dort weit und breit kein Charter
der Hells Angels, und die Tacos waren in jener Region klar in der Übermacht.
    Wir fuhren sofort nach Ibbenbüren. Schon kurz nach neun
kamen wir am Tatort an. Alles war abgesperrt, die Polizei längst da.
Spurensicherung, ein Kamerateam, ein paar Journalisten und reichlich
Schaulustige, das komplette Gebinde. Wir standen hinter dem Absperrband, und
nach und nach kamen immer mehr Member, Prospects und Hangarounds wie auch
Angehörige aus verschiedenen anderen Chartern dazu. Wir waren alle entsetzt
und unsagbar traurig. Und redeten selbstverständlich hochgradig aufgewühlt über
»die Sache«.
    Die vorherrschende Frage war natürlich: Wer war das? Ich
dachte mir nur: Wer sollte das denn schon gewesen sein? Außerhalb der MC-Szene
war Robert ein unauffälliger Kerl, lebte gut bürgerlich als Kleinunternehmer in
der Provinz, trank nur selten, kokste nicht und machte keine krummen
Geschäfte. Die einzigen Feinde, die er auf dieser Welt hatte, waren die
Bandidos.
    Ich wollte aus diesem Grund auch sofort den Tatort wieder
verlassen. Die Adressen der Präsidenten aus den umliegenden Bandidos-Chaptern
in Münster und Osnabrück führte ich bei mir. Ich hatte vor, einfach zu den
Fotzen hinzufahren und jeden — von Mann zu Mann — zu fragen, ob er es getan
hat. Meiner Meinung nach wäre das die einzig mögliche Reaktion gewesen:
hinfahren und unverzüglich Rache nehmen. Ganz egal, wen wir von den
Arschlöchern erwischt und erledigt hätten, es wäre keine falsche Wahl gewesen.
    Die Wut, die da in mir drin und sicher auch in vielen
anderen Angels brodelte, saß tief. Umso erstaunter bin ich heute, dass im Mai
2010 zwischen den Tacos und den Angels mal eben ein »Friedensvertrag«
unterzeichnet wurde. Konnte das tatsächlich all die Probleme lösen, die wir
über Jahre hinweg miteinander hatten? Was war mit den Toten? Und was war mit
denen, die für ihre Clubs langjährige Gefängnisstrafen absaßen? Wie standen die
wohl zu einem sogenannten Friedensvertrag? Wie mussten sich denn die »Big House
Crews« fühlen? Wie Brüder oder doch eher wie fallen gelassene Engel? An der
Basis interessierte das doch keinen. Es gab letztlich keine Politik. Damals
nicht und auch heute nicht. Die einzige Politik, die ein echtes Mitglied
interessierte, war die der Straße. Und die kannte keine Gnade - um
ausnahmsweise einmal den Leitspruch der Tacos zu bemühen.
    Ich wollte damals also sofort los und die Sache irgendwie
ankurbeln, aber ein Kollege hielt mich mit eindringlichen Worten zurück: Ich
solle mal schön an Ort und Stelle bleiben. Und recht hatte er! Ich war kein
Offizier, sondern nur ein Soldat. Und Entscheidungen treffen nun mal die
Anführer. Ich hielt mich an diese Marschroute, die der Club vorgab, und wartete
auf weitere Anweisungen. Gutheißen konnte ich diese Vorgehensweise jedoch
nicht.
    Wir beobachteten die Polizei bei ihrer Arbeit und
versuchten, so viele Informationen wie nur möglich aufzuschnappen. Was wir
dann aber sahen, war dilettantisch. Irgendwann - es waren schon Stunden
vergangen — hörte ich, wie ein Polizist in Uniform zu einem Spurensicherer
sagte, dass noch einer von Roberts Angestellten vermisst werden

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