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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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Klinge
herausschnappen und schnitt langsam in meinen linken Arm, wie in Zeitlupe, ganz
saubere Schnitte, es tat fast nicht weh, und ich beobachtete, wie sich dicke
Blutperlen auf den Wunden bildeten, die dann platzten und rot an mir
herabflossen. Aber der innere Schmerz wurde nicht weniger. Also setzte ich die
Klinge an meiner Wange an und schnitt wieder ganz sanft hinein. Es wurde heiß,
und irgendwann tropfte es auch aus meinem Gesicht purpurrot auf den Tisch.
    Aber ich blieb immerhin in dem Raum sitzen. Wäre ich
rausgegangen, hätte ich an diesem Morgen das halbe Charter abgestochen. Für
mich war alles plötzlich ganz klar. Eine Fotze wie dieser Typ durfte das
81er-Patch tragen. Dasselbe Patch, das auch ich auf meinem Rücken trug. Und
daraus gab es nur eine Schlussfolgerung: Also war auch ich eine Fotze. Es war
die einfache Logik eines Verblendeten. Damals war das ein unglaublicher innerer
Konflikt, der mich auch Tage danach noch nicht schlafen ließ. Ich fühlte mich
im Recht, aber mein Recht bekam ich nicht.
    Alles wurde vollkommen klar und unausweichlich — nichts
anderes war mehr denkbar. Ich ging nach unten, wo noch ein paar Leute
rumhingen, und sagte: »Ich hör auf.« Ich schrie nicht, sprach aber sehr laut
und deutlich. Jetzt erst wurden die paar Besoffenen, die noch herumhingen,
wieder auf mich aufmerksam. Dann zog ich meine Jacke aus, die nunmehr für mich
so derart beschmutzt war, schmiss sie auf den Boden und trampelte auf ihr
herum. Mit den Füßen auf dem Deathhead. Ein fast noch schlimmeres Vergehen, als
ein Member zu vermöbeln. Alle sahen es, und die Überwachungskameras oben in
der Decke nahmen diese unheimliche Szene fleißig auf. Dann ging ich wieder nach
oben, knallte die Tür zu und war mir sicher, dass ich nun rausfliegen würde.
    Aber es kam keiner in mein kleines Exil. Mit meinen
blutverschmierten Armen und dem Monstergesicht schien ich nicht sonderlich
diskussionsbereit zu wirken. Durchs Fenster sah ich, wie immer mehr Member
ankamen, das Gepolter und Gemurmel vor der Tür wurde von Minute zu Minute
lauter. Erstaunlich, denn es war ja ein früher Samstagvormittag und die Party
längst vorbei. Aber die Telefonkette funktionierte offenbar, und es hatte sich
wohl in Windeseile herumgesprochen, dass hier etwas geboten wurde. Das Clubhaus
füllte sich, und es waren tatsächlich fast alle da. Aber noch immer kam keiner
zu mir nach oben.
    Irgendwann klopfte es zaghaft an der Tür. Ein
flaumbärtiger neuer Hangaround stand im Zimmer. Wie mutig die 81er doch waren:
schickten die arme Sau von einem Hangaround vor, um für den Rest der
Heldenarmee die Lage zu sondieren.
    »Alles okay bei dir?«, fragte er, und der Junge wirkte
ernsthaft besorgt. Um sich, aber auch um mich.
    »Sehe ich so aus, als wäre alles okay?« Und dann fügte ich
noch eine Drohung an: »Ich stech jeden ab, der hier reinkommt.« Offenbar
wirkte das nicht so, wie es eigentlich sollte, denn nun trauten sich doch auch
einige Member in das Zimmer. Erfreulicherweise nur jene, mit denen ich auch gut
konnte. Sie redeten auf mich ein und versuchten, mich zu beruhigen.
    Einer saß noch lange neben mir. Er sagte einfach gar
nichts, und das tat gut. Ich trank einen Orangensaft. Und tatsächlich, der
Dampfkochtopf in meinem Bauch verlor langsam an Druck und machte langsam einer
großen Leere Platz.
    Eine Stunde saßen wir wohl schweigend nebeneinander, dann
tauchte irgendwann unser Sergeant at Arms auf. Etwas fassungslos sah er mich
an, machte nur »Aha« und sagte dann: »Das ist auf jeden Fall ein 86.« Zu dem
Zeitpunkt wusste er aber wohl nur von dem ersten Vorfall. Als man ihm dann die
ganze Geschichte dieses Abends erzählt hatte, sackte er merklich in sich
zusammen. Er musste reagieren, rief sofort den Präsidenten an und teilte mir
nur fünf Minuten später mit, dass ich suspendiert sei. Nach vier Wochen als
Member war ich »suspended«. Das war wohl ein neuer Weltrekord.
     
    4.
     
    Ich hätte auch rausfliegen können. Warum das nicht
passierte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht wussten sie um meine guten
Seiten. Dass ich einer der wenigen Soldaten war, die auch marschierten, wenn es
sein musste. Zwischen all den Dummschwätzern und Feiglingen brauchte ein Club
wie die Hells Angels, die ja nun gerne mal Probleme auf ihre Art lösten, eben
auch Brüder, die zulangen konnten. Und die gehorchten, wenn es darauf ankam.
    Meinen Ausraster schoben sie auf den Alkohol, weshalb ich
dann auch meinen »86er« bekam. Aber es war nicht

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