P., Thomas
Zeichens Mitglieder des Bandidos MC -, verhaftet und im
Dezember 2007 vor Gericht gestellt. Auf die Spur der beiden war man schnell
gekommen. Sie hatten genau die Fehler gemacht, die wir stets zu vermeiden
wussten. Im Zuge der Polizeiermittlungen konnte man die beiden mutmaßlichen
Täter zum Zeitpunkt des Mordes an Robert K. über ihre Mobiltelefone in
Tatortnähe orten. Außerdem war bei der Auswertung von Überwachungskameras
herausgekommen, dass ein Auto, das einem der beiden Täter zugeordnet werden
konnte, in der Nähe der Werkstatt unseres getöteten Bruders gefilmt worden war.
Jeweils 300 Bandidos und ebenso viele Hells Angels waren zum Prozessauftakt am
Landgericht im vorweihnachtlichen Münster aufmarschiert. Dazu über 1000
Polizisten. Obwohl die beiden angeklagten Tacos nichts zugaben — aber auch
nichts leugneten -, wurden sie nach einem aufreibenden Indizienprozess im Juni
2008 wegen gemeinschaftlichen heimtückischen Mordes und Verstoß gegen das
Waffengesetz zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die Verteidigung hatte
Freispruch gefordert, aber das Gericht war der Indizienkette der Anklage
gefolgt.
3.
Mir ging es zu jener Zeit beschissener denn je. Der Tod
von Robert machte mich fertig. Ich war nervlich am Anschlag. Und so kam es dann
auch fast unausweichlich etwa zwei Wochen nach der Beerdigung zu einem Eklat.
Freitagabend, Clubhaus. Es war mal wieder eine der
unzähligen Feiern. An jenem Abend wurde das Fünfjährige einiger Member
zelebriert. Nicht der Rede wert, sollte man denken, aber zu solchen Jubiläen
gab es wieder ein paar kleinere Privilegien und einen netten Anstecker mit
einer »5«. Man durfte sich dann auch neue Tätowierungen stechen lassen. Alles
musste eben seine Ordnung haben. Was mich mal wieder ziemlich nervte, denn
solche Äußerlichkeiten waren für viele Member offenbar der einzige Antrieb,
überhaupt bei den Hells Angels dabei zu sein.
Ich war oben im Memberbereich und lief wie ferngesteuert
herum, hielt mich an ein paar Bieren fest und hatte auch schon genügend Koks in
der Nase. Ich war gerade auf dem Weg zur Bar, um ein wenig nachzulegen, als mir
ein Gast den Weg kreuzte - ein Typ, den ich noch nie gesehen hatte, der sich
aber wegen irgendwelcher Beziehungen hier im Allerheiligsten des Angels Place
tummeln durfte. Wie auch immer, das Mindeste wäre wohl gewesen, dass er mich,
ein Member, wenigstens grüßt. Das tat er aber nicht. Und so wischte ich ihm
erst mal eine. Der Typ knallte rücklings auf den Boden, und es kam sofort zu
einem kleinen Gerangel, das aber schnell wieder im Trubel unterging.
Etwa eine Stunde später hing ich am Tresen und bekam mit,
wie ein Member, der seinem Patch zufolge aus dem Charter Heilbronn stammte,
über einen meiner Brüder ablästerte. Es war irgendwas in Richtung »Der tickt
nicht richtig« und »Arschloch«. Zu dumm nur, dass dieser Pisser ausgerechnet
über einen meiner wenigen verbliebenen Freunde in unserem Laden sprach.
Ich nahm meine Kippe aus dem Mund und drückte sie ohne
Vorwarnung einfach auf seiner Wange aus. Der Typ hat nicht mal gezuckt, so
verblüfft muss der gewesen sein. Und dann drosch ich nur noch auf ihn ein. Ich
wollte ihm die Jacke ausziehen — sie ihm wie eine Haut vom Körper abstreifen.
Ich war völlig außer mir, schrie herum: »Du bist kein Hells Angel, du bist
keiner von uns.« Ich war rasend, außer mir, randvoll mit Koks, Alkohol und
tiefer Wut über alles, was ich in den letzten Monaten erlebt hatte. Ich schlug
zu, so fest ich nur konnte, und der Typ wehrte sich nicht mal.
Ein paar Leute zogen mich dann weg. Wer weiß, was ich
sonst noch mit dem Kerl angestellt hätte. Und ich dachte, die würden den
Idioten einfach rausschmeißen. Er hatte einen von uns beleidigt. Einen Bruder!
Aber nicht der Typ wurde vom Hof gejagt, sondern ich. Nicht ihm hatte man
versucht, Anstand beizubringen, sondern mir wurde nachdrücklich erklärt, dass
man so nicht mit Gästen umspringen könne. Ich ging hinauf in den Memberbereich
und zitterte vor Wut. Ich verstand sie nicht mehr, die Welt um mich herum. Ich
fragte mich, warum der eine Kerl keinen Respekt vor mir hatte und warum der
andere so reden und trotzdem seine Jacke behalten durfte. Ich war allein, und
die Party rann langsam in den Morgen hinein, aber ich konnte nicht aufhören, zu
saufen und zu koksen. Die Wut ließ mich immer noch zittern. Es kochte in mir,
und es wollte einfach nicht aufhören.
Ich nahm mein Messer aus der Tasche, ließ die
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