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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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der Alkohol, das wusste ich
ganz genau. Ich hätte auch nüchtern so gehandelt. Und ich würde heute wieder so
handeln.
    Nun ging alles seinen bürokratischen Gang. Die
Suspendierung wurde per Mail allen deutschen Chartern mitgeteilt, das war wohl
so üblich. Wie es auch normal war, dass eine Ernennung zum Hangaround, Prospect
oder Member allen mitgeteilt wurde. Und nach kurzer Zeit hatte ich schon die
ersten Reaktionen in meinem elektronischen Postfach. Die meisten wunderten
sich darüber, wie das gehen konnte — suspendiert nach vier Wochen. Auch ein
paar Anrufe zum Thema bekam ich in der Folgezeit. Aber eigentlich wollte ich
nicht mehr über diese Sache reden.
    Formell lief die Sache so, dass ich mein Patch und auch
alle anderen Clubinsignien abgeben musste. Ich durfte nur noch
Supporter-Klamotten tragen, die sich ja auch jeder Außenstehende kaufen konnte.
Ich musste alles, also Hosen, Gürtel, Jacken und T-Shirts der Hells Angels, dem
Sergeant at Arms überreichen, der das Zeug für mich verwahrte. So lange, bis
die Suspendierung aufgehoben wurde. Ich packte den Kram am folgenden Tag in
einen großen blauen Müllsack und brachte ihn dem Sergeant kommentarlos vorbei.
    Ich durfte weiterhin an den Freitags-Meetings teilnehmen,
denn ich war nach wie vor Member - mit allen Rechten und Pflichten. Nur eben
ohne Uniform. In den folgenden Wochen hätte ich beweisen müssen, dass ich mir
die Suspendierung zu Herzen nahm und mich gebessert hatte. Wenn der Präsident
und die anderen hohen Herren dann davon überzeugt gewesen wären, hätte man die
Suspendierung wieder aufgehoben, und die Sache wäre aus der Welt geschafft
worden. Das konnte nach vier Wochen geschehen, aber auch sehr viel später. Im
Schnitt dauerte eine Suspendierung rund drei Monate.
    Ich verhielt mich trotzdem wie immer. Aber ein bisschen
guten Willen wollte ich schon signalisieren. Wann immer es in den folgenden
Wochen darum ging, irgendwelche Arbeiten am Clubhaus zu erledigen oder ein paar
Freiwillige zu finden, die einen Besuch bei einer Schrottparty eines anderen
Charters machten, reckte ich meine Hand in die Höhe und meldete mich
freiwillig. Flensburg, Kiel, kein Weg war mir zu weit und keine Party zu
lausig, als dass ich nicht hingefahren wäre und den Club vertreten hätte. Dort
allerdings konnte ich dann auch nicht anders, als mich mit »Hallo, ich bin Tom,
Suspended Charter West Side« vorzustellen. Das wiederum kam nur mittelgut an.
Die meisten schüttelten den Kopf und nahmen die Sache wohl ernster als ich.
»So stellt man sich nicht vor«, blökte mich nach einiger Zeit unser Präsident
an, nachdem er davon erfahren hatte.
    Den »86er« hatte ich von Anfang an ignoriert. Als
erwachsener Mann wollte ich mir von keinem vorschreiben lassen, wann, wo und
wie viel ich saufen und koksen durfte. Wenn ein »86er« über ein Member verhängt
wurde, durfte auch kein anderes Mitglied Drogen oder Alkohol an den derart
Geächteten weiterreichen. Offiziell jedenfalls. Inoffiziell sah das natürlich
ganz anders aus. Mit dem einen oder anderen konnte ich nach wie vor rausgehen und
ein Bier trinken. Außerdem war ich — wie gesagt — erwachsen genug, mir
notfalls auch selbst mein Bier zu holen. An die Verbote hatte ich mich schon
als Prospect nicht gehalten, warum also jetzt als Member oder als »Suspended«?
    Das allerdings hatte zur Folge, dass das mittlerweile
aufgetaute Verhältnis zu unserem Sergeant at Arms wieder merklich frostiger
wurde. Er wusste natürlich, was ich von seinen Verboten hielt, und hatte mich
in der Folgezeit nur noch still und vorwurfsvoll angeschaut. Ich goss mir dann
extra noch einen Jägermeister ein, sodass es auch möglichst viele mitbekommen
mussten. Aber keiner wollte etwas gesehen haben.
     
    5.
     
    Und dann stand die endgültige Trennung von meiner
damaligen Frau an. Im Sommer 2007 war absolut nichts mehr zu retten. Nach einem
miesen Streit hatte sie von mir eine Ohrfeige bekommen. Ich hatte die Frau noch
nie geschlagen, aber irgendwie hatte es mir wohl mal wieder die Sicherung
rausgehauen.
    Ihr Auge schwoll sofort zu, und noch am selben Abend zog
sie mit Tyson zusammen ins Frauenhaus. Da war ich allerdings schon weg, um bei
Melanie unterzuschlüpfen. Es war das Ende unserer Ehe, aber noch lange nicht
das Ende unserer »Beziehung«.
    Nicht ganz eine Woche später rief mich ein Bekannter an
und erzählte mir, meine Frau liege nun im Krankenhaus. Ich wollte das nicht
glauben und rief eine gemeinsame Bekannte an, um die

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