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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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gefährlichen Situationen hingab, in Baumhäusern oder Toiletten?
    Sie machte sich von Lucien los, trat einige Schritte vor. Fredl war schon bei der hochoffiziellen Aufnahme des Unfalls, fotografierte beide Wagen, verhörte die Fahrer, verhörte die Umstehenden. Was hier überhaupt vorgehe.
    »A Streik.« Franzi parkte seelenruhig weitere Kisten voller Salatköpfe vor dem Edekamarkt.
    »Wegen dem Müll!«, rief Neuenthals Reinigungskraft, die sich von der Feuerwehrkneipe näherte, samt Besen, aber ohne zu kehren.
    »Und wegen da Solidarität mit da Bürgermeisterin! Weils ihre Plakate immer beschmiern duan«, ergänzte Resi.
    »Mit wem? «
    »Ihr könnts do gar ned streiken, ihr seid do gar ned in da Gewerkschaft«, mischte sich der Mohnauer Metzger ein, und Resi baute sich vor ihm auf.
    »I bin in da Kirch und im Gocklzuchtverein, langt des ned?«
    »Richtig! A Streik muss genehmigt werden!«
    Fredl plusterte sich vor Resi auf. Angesichts seiner glänzenden Glatze im Sonnenlicht wurde Therese noch schwummriger zumute. Jetzt stieg auch noch Übelkeit in ihr auf, in kleinen, unbarmherzigen Wellen.
    »So ein Unsinn.« Christiane Breitner trat vor. »Ihr müsst gar nichts genehmigen lassen. Ihr könnt streiken, wann und wo ihr wollt. Die Frage ist nur, ob das wirklich gut für eure Bürgermeisterin …«
    »Was für a Bürgermeisterin? Hier is koa Bürgermeisterin! Des is a Wahlbeeinflussung! Des is strafbar!«
    Dies war der Moment, in dem Therese Engler vortreten musste, unbedingt, egal, wie ihr zumute war. Die Kiste! Mitten auf der Straße. Sie kippte die Salatköpfe aus, drehte die Kiste um. Mei, war ihr schlecht. Trotzdem. Sie stieg auf ihr provisorisches Podest.
    »Bürgerinnen und Bürger! Ich appelliere an eure Vernunft. Wir hatten gestern schon beinahe eine Schlägerei!«
    Die Nordic-Walking-Gruppe am Straßenrand zuckte kollektiv zusammen, aber sie hatte jetzt keine Wahl, sie musste die Wahrheit aussprechen. Schonungslos.
    »Vandalen verwüsten unseren Ort, lassen keinen Stein auf dem anderen! Unser Frieden ist bedroht! Unsere Zivilisation wankt!« Kruzifix, etwas anderes wankte auch. Die Kiste. Unter ihr. »Und ihr verstärkt dieses Beben, das durchaus den Einsturz bedeuten kann …« Verflixt, ja, sie krachte, die Kiste, hoffentlich nur unter dem Gewicht ihrer Worte … »… durch kleinliches Gezänk! Bürgerinnen und Bürger! Ich verstehe euer Aufbegehren gegen die Zustände! Aber wenn ihr schon streiken wollt, dann …« Jessesmaria! Sie ruderte mit den Armen, schon streckten sich hilfreiche Hände aus, einheimische, französische. Therese roch Luciens Frischeduft, dann lag ein anderer Arm um ihre Schultern, der ihrer Wahlberaterin.
    »Komm mal raus aus der Sonne«, beinahe besorgt klang Christianes Stimme, »du bist das nicht gewohnt, so ohne Hut.« Bravo-Rufe um sie herum. Kam ihre Rede so gut an? Und was meinte Christiane mit: ohne Hut?
    »Hier is kühl, i hab eh grad die Truhe offen«, sagte Franzi, und an Christianes Arm, so würdevoll sie es vermochte, betrat Therese Engler die neonbelichtete Kühle des Edekamarkts. Wie gut die Kälte tat, im Gesicht, um die Ohren, den … Sie griff sich an den Kopf und ertastete nur: Haare. Hoffentlich einigermaßen korrekt frisierte Haare. Sonst nichts. Zum ersten Mal seit bestimmt zwanzig Jahren hatte sich Therese Engler den Bürgern von Neuenthal hutlos gezeigt.

    Sie atmete. Durch beide Nasenlöcher ein und durch den Mund wieder aus. Sie saß neben der Gefriertruhe. In der Franzi fast gänzlich verschwunden war. Nur ein Paar Beine in weißblauen Rauten-Leggings waren zu sehen, zwei Mammut-Maibäume.
    »Hab ich dir schon gesagt, dass die meisten Mitglieder des Kreistags für das Rededuell sind? Schon allein wegen der Sensation.« Christiane nahm eine Bierflasche aus dem Regal, betrachtete sie von allen Seiten. Musste das sein, ausgerechnet jetzt, da Therese kaum an Alkohol denken konnte? Aber schon stellte Christiane die Flasche zurück ins Regal, und der Rest von Franzi tauchte aus der Gefriertruhe auf, eine Packung Lachs und einen Stapel vereiste DIN-A4-Umschläge in den Händen. Umschläge, die Therese seltsam bekannt vorkamen. Woher nur? Kruzifix, wenn sie nur nicht solche Kopfschmerzen …
    »Ich geh jetzt mal den Bürgermeister informieren!« Mei, musste Christiane so laut sprechen? »Und ich denke, da so gut wie alle dafür sind, kriege ich das Rededuell heute noch durch. Dann müssen wir nur noch sehen, was wir mit diesem Streik … Was hast du denn da,

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